(ots) - Noch ist die Lage der Schweizer Inlandsbanken
zufriedenstellend - obwohl das durchschnittliche
Aufwand-Ertrag-Verhältnis in den letzten fünf Jahren um etwa 6
Prozentpunkte stieg und die Eigenkapitalrendite um fast ein Fünftel
auf 5,7 Prozent sank. Damit die Situation stabil bleibt, müssen die
Banken strukturelle Schwächen sowohl auf der Kosten- als auch der
Ertragsseite beheben, die durch Markttrends wie die Digitalisierung
aktuell zusätzlich verstärkt werden. Dies erfordert in den nächsten
Jahren eine Reihe taktischer Optimierungen und strategische
Transformationen der Geschäftsmodelle. Zu diesen Ergebnissen kommt
die Strategieberatung Oliver Wyman in ihrem grossangelegten Schweizer
Banking Report 2017, der die Situation und Perspektiven des
inländischen Bankenmarktes der Schweiz analysiert. Für die Studie
untersuchten die Berater mehr als 300 ausgewählte Inlandsbanken.
Expandierendes Kredit- und Einlagevolumen förderte in den letzten
Jahren das Wachstum der im Schweizer Inlandsgeschäft tätigen Banken.
Trotz sinkender Margen konnten sie den Gesamtertrag durch die
Erhöhung der Bilanzsummen und der damit verbundenen Risiken stabil
halten. Dazu wurde das Hypothekengeschäft um jährlich 4,5 Prozent im
Zeitraum von 2011 bis 2016 ausgeweitet. Allerdings sinkt das
Kreditwachstum bereits seit einiger Zeit, so dass Geschäftsmodelle
und Strategien nicht mehr auf weiteres Wachstum des Kreditvolumens
über der Rate des BIPs setzen können.
Die derzeitige Abhängigkeit der Banken vom Zinsgeschäft ist ein
Klumpenrisiko. Der Ertragsanteil liegt aktuell bei 55 Prozent, bei
kleineren Instituten macht er sogar bis zu 80 Prozent der
Gesamterträge aus. Doch langfristig prognostiziert Oliver Wyman bis
2022 nur noch ein Minimalwachstum der Zinserträge von einem Prozent
pro Jahr. Alternative Ertragsquellen müssen viele Banken jedoch erst
aktiv ausbauen oder neu erschliessen, um zusätzliches Wachstum
generieren zu können. Zu solchen möglichen Ertragsquellen zählen
Provisionen und Handelserträge, Erträge aus dem Wealth und Asset
Management, dem Geschäft mit kleinen und mittelständischen
Unternehmen, sowie dem Verkauf von Versicherungsprodukten.
Steigende Kosten erzwingen Investitionen zur Verbesserung des
Bankbetriebes
Während im europäischen Bankensektor insgesamt ein
Beschäftigungsabbau stattfand, diagnostizieren die Oliver
Wyman-Berater bei den betrachteten Schweizer Banken hohe
Personalkostenblöcke durch jährlich um 0,4 Prozent wachsende
Beschäftigtenzahlen sowie Personalkosten, die pro Mitarbeiter jedes
Jahr um 1,7 Prozent steigen. Die Kosten wachsen damit deutlich
schneller als die Erträge. Dies erfordert ein aktives Management, um
die negative Entwicklung des Aufwand-Ertrag-Verhältnisses zu stoppen.
Hier sind Investitionen notwendig, um die strukturelle Kostenspirale
nachhaltig zu durchbrechen. Insbesondere muss in die
End-to-End-Automatisierung sowie die Standardisierung der
Kernbetriebsprozesse sowie das Back- und Middle-Office investiert
werden.
"Retailbanken müssen jetzt Wege finden, die Stagnation ihres
Zinsgeschäfts mit Provisions-, Handels- und sonstigen Erträgen zu
kompensieren. Paradoxerweise bedeutet das zunächst mehr Ausgaben für
Digitalisierung, um langfristig die Kosten im operativen Betrieb
senken zu können", umreisst Tobias Würgler, Partner bei Oliver Wyman
und Leiter der Schweizer Banking Practice, die Aufgaben der Banken.
Mut zu unkonventionellen Strategien, um die Kostenstrukturen zu
verbessern? Schweizer Retailbanken werden als Ergebnis der Studie
ihre Strategien grundlegend überdenken müssen. Dazu gehören folgende
Massnahmen:
- Verschlankung des Serviceangebots über Filialen: Bisher leisten
sich die Schweizer Banken ein sehr dichtes Filialnetz. Doch bereits
die jährlichen Kosten für kleine Filialen mit Bargeldverkehr
summieren sich schnell zu Beträgen im mittleren sechsstelligen
Bereich. In Skandinavien und den Benelux-Ländern dagegen bieten
Banken nicht einmal mehr halb so viele Filialen pro Einwohner an. Die
Zukunft liegt in bargeldlosen Filialen an guter Passantenlage, wo
Kunden primär beraten werden.
- Zukünftig werden ausserdem häufiger Kooperationen zwischen
Retailbanken zu beobachten sein: Dies umfasst beispielsweise die
Nutzung von Shared Services, wie gemeinsame Netzwerke von
Geldautomaten, Hypothekarprozessen, Abwicklungsplattformen oder das
Teilen von sonstigen Kostenblöcken, die nicht zum Kerngeschäft
gehören. Selbst gemeinsam betriebene Filialen sind denkbar.
Am Ende geht es um die Kunden - Digitale Zugänge und
personalisierte Lösungen
Die Kundenbeziehungen der Banken sind bedroht: Einerseits drängen
Versicherungen und Pensionskassen in das bisher zu 95 Prozent
bankendominierte Hypothekargeschäft, andererseits versuchen
Nichtbanken-Aggregatoren und Drittanbieter Kundeninteraktionskanäle
zu besetzen und damit die Banken von ihren Kunden abzukoppeln. Daher
investieren Retailbanken massiv in die Digitalisierung der
Kommunikations- und Interaktionsschnittstellen. Allerdings bergen
neue digitale Angebote und Zugangsmöglichkeiten für die Kunden die
Gefahr, lediglich die Kosten der Banken zu steigern. Daher ist eine
zeitgleiche, grundlegende Transformation des Bankengeschäftsmodells
wichtig. "Schweizer Banken müssen vermeiden, die Kostenstruktur mit
einer zusätzlichen 'digitalen Kostenschicht' dauerhaft aufzublähen
und so noch mehr Komplexität in ihre Prozesse zu bringen", warnt
Roger Stettler, Principal und Retailbanking-Experte bei Oliver Wyman
in Zürich.
Der Schweizer Banking Report kommt daher zu dem Schluss, dass
schweizerische Retailbanken dringend ein digitales "Target Operating
Model" entwickeln müssen. Dieses sollte eigene
Omni-Channel-Schnittstellen zur Kundeninteraktion umfassen, sowie
einen zentralen Datenpool, von dem ausgehend automatisch individuelle
Lösungen für Kunden entwickelt werden können. "Solche Veränderungen
sind ein Neuanfang' auf der "grünen Wiese" im Banking: mühsam,
zunächst kostenintensiv, aber langfristig strukturell
ertragssteigernd und kostensenkend", fasst Würgler die Aufgabe der
Banken zusammen.
Der vollständige "Schweizer Banking Report 2017" ist auf der
Oliver Wyman-Website verfügbar.
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