(ots) - Die Bilder der Menschenschlangen an den deutschen
Grenzen sind zwei Jahre alt. Fotos von überfüllten Turnhallen und
ebenso überfüllten Kleiderkammern folgten ihnen. Kein Tag, an dem die
Flüchtlingskrise nicht im Zentrum der Berichterstattung stand.
Griechische Finanztragödien und russisch-ukrainisches Kriegsgetümmel
schienen zweit- und drittrangig. Angela Merkels "Wir schaffen das"
schließlich, ihre historische Reaktion auf das Massensterben im
Mittelmeer, stürzte sie selbst in ihre größte politische Krise und
ließ einen Riss in der Gesellschaft plötzlich sichtbar werden. Gab es
überhaupt noch ein anderes Thema?
Zwei Jahre später mag das manchem ganz lang her und ganz weit weg
vorkommen. Ein Spuk sozusagen. Integrations-Probleme sind auf
deutschem Boden zwar immer noch sicht- und spürbar, aber die
öffentliche Debatte hat längst an Schärfe verloren. Weil man sich dem
Gefühl hingibt, das Land habe die Kontrolle über seine Grenzen
zurückerobert. Das hat es mehr oder weniger gewiss, aber deswegen ist
die Flüchtlingskrise keineswegs beendet. Wir haben sie nur
ausgelagert. Es sind die alten, furchtbaren Verdrängungsmechanismen,
die nun wieder greifen: Hauptsache nicht hier.
So wie das Flüchtlingsdrama aber 2015 nicht auf Griechenland
beschränkt blieb, wird es das 2017 nicht auf Italien bleiben. Rom
braucht dringend die Hilfe eines Europas, das indes heillos
zerstritten ist. Die Flüchtlinge müssten fair verteilt werden, die
Erfahrung lehrt, dass es kaum klappen wird: Die Haltung ist
ablehnender denn je. Und Afrika benötigt milliardenschwere Hilfe vor
Ort. Sonst ist die derzeitige Wanderungsbewegung Richtung Europa
nicht mehr als ein Vorspiel.
Martin Schulz mag auf der verzweifelten Suche nach einem
Wahlkampfthema sein. In der Sache aber liegt der SPD-Chef richtig:
Wegducken ist nicht richtig.
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