(ots) - Hurra, Deutschland ist gerettet. Vielleicht
nicht ganz Deutschland, aber zumindest der wesentliche Teil - seine
Automobilindustrie. Sie kommt aus dem Diesel-Skandal noch nicht mal
mit einem blauen Auge, sondern mit einem Kratzer am kleinen Zeh
davon. Jedenfalls was die in Absprache mit der Bundesregierung
vereinbarten Maßnahmen betrifft. Auto-Aktien machten an der Börse
einen - allerdings vorübergehenden - Luftsprung, als das Ergebnis des
Diesel-Gipfels am Nachmittag verkündet wurde. Gemeinsam mit den
Aktionären atmeten Millionen Besitzer der von Fahrverboten bedrohten
Autos auf. Sie waren die Waffe der Autokonzerne. Hätte man ihre
Diesel für stadtuntauglich erklärt, hätte in Deutschland kurz vor der
Bundestagswahl extrem dicke Luft geherrscht. An deren Ende hätten die
Union und SPD verloren, FDP vermutlich und AfD sicher gewonnen. Und
die Grünen wären sowieso an allem Schuld gewesen; das legen zumindest
die unzähligen Empörungskommentare bei diesem Thema in den sozialen
Netzwerken nahe. Nun sollen es Programmierer richten. Fünf Millionen
Software-Updates - und unsere Luft wird sauber. Das stimmt; so ein
kleines Bisschen; ein ganz kleines. Was davon aber keinesfalls wieder
sauber wird, ist das Image der Autobauer. Da hilft eine frische
Software wenig. Viel mehr bringt hier der Faktor Zeit, also das
Vergessen. Klingt fatalistisch, hat sich aber in den meisten Fällen
bewahrheitet. Bei dem Gipfel ist nicht mehr herausgekommen, weil
Ziele mit einer seltsamen Priorität gesetzt wurden.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet (CDU) formulierte die
aus seiner Sicht vermeintliche Aufgabe so: "Wir wollen den Diesel
retten." Das tut weh. Da bleiben keine Fragen über verpasste Chancen
offen. Falsch, Herr Laschet. Das kann nicht der entscheidende Punkt
sein. In die gleiche Richtung zielte etwa Seehofers Idee,
Steueranreize für neue Diesel einzuführen. Welch ein Irrsinn, dem
Betrüger Steuergelder zur Belohnung hinterherzuwerfen. Wenn nun
großspurig verkündet wird, fünf Millionen Autos werden per Software
verbessert, dann geht es in der Mehrzahl der Fälle erst einmal
schlicht darum, betrügerische Technik zu entfernen. Vor Gericht wäre
das lediglich das Minimum für Strafmilderung. Darüber hinaus werden
die Hersteller auch mittelalte Diesel optimieren, was technisch nur
begrenzt möglich ist. Aber es gibt keine Hardware-Aufrüstung, keine
Entschädigung für an der Nase herumgeführte Kunden und an sonstigen
Atemorganen geschädigte Menschen; lediglich eine Kaufprämie einiger
Hersteller, um den Absatz neuer Autos anzufachen, während man die
zweifelhaften alten Diesel verschrottet oder nach Osteuropa und
Afrika abschiebt. Der Umwelt hilft das bestenfalls direkt vor unserer
Nase. Idealerweise sollte der Gipfel Wege aufzeigen, wie sich Autos
schnellstmöglich in Richtung Nullemission bewegen können. Wäre das
passiert, wäre er ein voller Erfolg gewesen. Wurde er natürlich
nicht, weil man ja den Diesel retten wollte. Umgekehrt kann es nicht
darum gehen, dem Diesel schnellstmöglich ein Grab zu schaufeln.
Spötter sagen, das hat die Autoindustrie allein prima hingekriegt.
Aber modernste Diesel sind sehr sauber zu betreiben. Dumm nur, dass
diese modernste Technik in zu wenigen Fahrzeugen steckt, weil sie
teuer ist. Wäre Diesel gleich besteuert wie Benzin, dann würde die
Rechnung nur für Vielfahrer von Luxusgefährten aufgehen. Und würden
die Verbraucher nicht immer mehr Pseudo-Geländebrummer mit dem
Luftwiderstand einer Ikea-Schrankwand und dem Durst eines
Volksfestzeltes kaufen, dann gäbe es noch viel weniger Diesel. Die
Politik sollte sich dabei zurückhalten, eine einzige Technologie als
die lobgepriesene Zukunft einzufordern. So hätten es die
Elektroauto-Fans gerne und sie stehen direkt vor ihrem Ziel. Aber
entscheidend ist die Sozial- und Umweltverträglichkeit. Da gibt es
noch Alternativen, etwa synthetische Kraftstoffe. Die könnten sogar
den wirklichen Übergang in die E-Mobilität ebnen, weil sie als
Speicher für überschüssigen Strom aus regenerativen Quellen genutzt
werden können.
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