(ots) - Nach einer Woche mit dem Diesel-Gipfel und der
Angst um eine deutsche Schlüsselindustrie lohnt es, grundsätzlich auf
das Thema Mobilität zu blicken. Zwar richten deutsche Automobilbauer
in ihren großen Entwicklungszentren seit geraumer Zeit auch stets ein
kleines Büro ein, in dem über Mobilitätskonzepte gebrütet wird. Die
längst eingezogene digitale Ära verführt die Konzerne aber immer noch
dazu, die Budgets eher in Richtung autonomes Fahren oder neue
Modellentwicklung mit Sensor-Armee und vollumfänglicher
Kommunikationszentrale zu lenken. Wie kann die notwendige Mobilität
der Menschen organisiert werden? Da rückt zunächst die Frage nach den
Antriebssystemen der Zukunft in den Fokus. Die Ziele des
Klimaschutzabkommens von Paris sind deutlich: Der Verkehr muss über
kurz oder lang ohne die fossilen Brennstoffe auskommen. Bis 2050
sollen die Maßnahmen zum Klimaschutz voll greifen. Die Politik in
Deutschland sieht sich zudem nach wie vor der beschlossenen
Energiewende verpflichtet. Zwar ist der Verkehr nicht der einzige
Produzent von Treibhausgas, aber ohne durchgreifende Wende im Autobau
wird es auch keine Energiewende geben. Das gilt auch anders herum: Je
mehr alternative Energie produziert und vernünftig gespeichert werden
kann, desto sauberer werden Luft und Atmosphäre etwa durch den
Einsatz von Elektromotoren. Zu denen wird es mittelfristig kaum eine
Alternative geben. Die damit einhergehenden Probleme, also zu geringe
Reichweite, fehlende Ladestationen und hohe Preise sollten in einem
Zusammenspiel von Industrie und Politik zu lösen sein. Man muss nur
wollen. Und bis dahin kann sogar der Diesel helfen, wenn dessen
Besteuerung derjenigen von Benzinmotoren angeglichen wird. Denn
Dieselaggregate stoßen weniger CO2 aus. Ja, und wenn die
Fahrzeughersteller echte technische Lösungen bieten statt die
klaffende Abgas-Wunde mit einem kleinen Software-Pflaster zu
versorgen. Man mag einwenden, dass die Batterien der Elektroautos
nach ihrem Lebenszyklus selbst zum Umweltproblem werden könnten. Das
träfe aber nur dann ein, wenn eben kein vernünftiger Masterplan für
die Mobilitätswende verfolgt würde. Zu einem solchen gehört neben
vernünftigen Richtlinien durch die Politik eben auch das umfassende
Recycling von Antriebsbatterien. Und die Arbeitsplätze rund um den
Fahrzeugbau in Deutschland? 600 000 stehen im Feuer, rechnete
unlängst das von der Automobilindustrie beauftragte ifo-Institut aus.
Wodurch sind diese Jobs mehr gefährdet? Durch ein "Weiter so!" mit
halbherzigen Innovationsansätzen oder durch einen grundlegenden
industriellen Strukturwandel? Die ifo-Studie sagt auch: "Ob
tatsächlich Arbeitsplätze in diesem Umfang wegfallen würden, hängt
von der Anpassungsfähigkeit der Autohersteller und Zulieferer ab."
Christian Hochfeld, Direktor der stiftungsfinanzierten Denkfabrik
"Agora Verkehrswende", fragt zu Recht, ob die deutsche
Automobilindustrie weltweit führend bleiben wird, wenn sie zuhause
noch lange auf die Weiterentwicklung des Verbrenners setzt. China
verlangt schon Quoten emissionsfreier Fahrzeuge, Indien will ab 2030
nur noch Elektrofahrzeuge zulassen. 2030 bis 2040 werde sich wohl
zeigen, wer auf dem Automarkt zukünftig eine größere Rolle spielen
darf. Zur Mobilität der Zukunft gehört auch, Städte vor dem
Verkehrsinfarkt und ihr Bewohner vor giftigen Abgasen zu schützen.
Zwar sinkt die Führerschein-Quote junger Menschen in den
Ballungsräumen dramatisch und wird Car-Sharing mehr und mehr in
Anspruch genommen. Die großen Autobauer reagieren darauf immerhin mit
der Bereitstellung von Kleinwagen-Flotten. Um die Stadtluft aber
sauberer zu bekommen, muss der öffentliche Nahverkehr komplett auf
Elektro umgestellt werden, müssen Taxiunternehmer Ihre Kunden mit
Elektroautos auskömmlich befördern können, müssen Pendler am
Stadtrand abgeholt und der Schwerlastverkehr intelligent geführt
werden. Wir sind bereits in der mobilen Zukunft angekommen. Fatal,
dass Diesel-Betrugsskandal und Kartellverdacht die deutschen
Autobauer gerade jetzt ins Zwielicht bringen. Vernunft und kluge
Strategien müssen sowohl in den Konzernen also auch in der
politischen Vorgabe rasch Einzug halten. Man darf nach dieser Woche
aber durchaus skeptisch sein.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten(at)mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell