(ots) - Wer geglaubt hat, in den deutsch-türkischen
Beziehungen könnte auch wieder Ruhe einkehren, sieht sich getäuscht.
Die Eskalationsspirale dreht sich munter weiter. Nach den
Besuchsverboten für Bundestagsabgeordnete und der willkürlichen
Inhaftierung deutscher Journalisten sowie eines
Menschenrechtsaktivisten hat der türkische Präsident Recep Tayyip
Erdogan eine weitere Provokation angezettelt: Sein Aufruf an alle in
Deutschland lebenden türkischstämmigen Bürger, bei der Bundestagswahl
im September nicht für die "Feinde der Türkei" zu stimmen, ist
letztlich als Aufruf zum Wahlboykott zu verstehen. Zwar nennt Erdogan
namentlich CDU, SPD und Grüne, die für ihn des Teufels sind. Doch
gibt es praktisch keine Partei in Deutschland, die dem Despoten vom
Bosporus nicht kritisch gegenübersteht. Und Kritik an seiner Person
wertet Erdogan automatisch als böswilligen Akt gegenüber seinem Land.
So ticken selbstherrliche Staatenlenker. Schon beim türkischen
Verfassungsreferendum Mitte April suchten Regierungspolitiker aus
Ankara ihre "Landsleute" in Deutschland mit massiver Propaganda zu
beeinflussen. Nun geht es sogar um die Bundestagswahl. Erdogans
Einmischung ist ein neuer Tiefpunkt in den ohnehin schon zutiefst
zerrütteten deutsch-türkischen Beziehungen. Sie ist eine Frechheit.
Bereits vor Wochen hatte Bundesaußenminister Gabriel eine
"Neuausrichtung" der deutschen Politik gegenüber Ankara angekündigt.
Wie sie genau aussieht, ist bislang nur vage erkennbar. Erdogans
neuerliche Attacke sollte Anlass sein, hier konkreter zu werden. Die
Bundesregierung muss alle diplomatischen und wirtschaftlichen
Möglichkeiten ausschöpfen, um dem türkischen Präsidenten klar zu
machen, dass sich Berlin nicht alles gefallen lässt. Erdogan versteht
offenbar keine andere Sprache als die der Stärke.
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