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Mittelbayerische Zeitung: "Religion ernst nehmen" - ein Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung zu den Anschlägen in Spanien

ID: 1522331

(ots) - Welche Fehler wurden gemacht? Diese Frage
stellt sich immer, wenn Attentate gelingen. Gleichermaßen gilt das
für die Frage, ob genug gegen den Terror getan wird. Das Herzstück
aller Sicherheitsdebatten ist aber jene Frage, die darum kreist, wie
eine Gesellschaft, die Freiheit und Toleranz als Werte hochhält, auf
Taten reagieren muss, die letztlich bezwecken, dass sich
Gesellschaften von diesen Werten abwenden. Las Ramblas in Barcelona
war aus Sicht der Terroristen ein ideales Ziel, gerade in der
Urlaubszeit. Denn im Sommer sind dort viele Touristen unterwegs. Noch
mehr kennen die Flaniermeile von eigenen Besuchen in der Hauptstadt
Kataloniens. Ziel der Terroristen ist es, den Gedanken in die Köpfe
zu bringen, dass es jeden treffen könnte. Im Übrigen auch nicht nur
im Herzen einer Metropole, sondern auch in der Provinz wie im
finnischen Turku oder im fernen Sibirien. Niemand soll sich mehr
sicher fühlen. Nirgends. Es gehört zur Strategie des Islamischen
Staates, diese Angst zu verbreiten. Gleichzeitig bleibt es richtig,
dass die Wahrscheinlichkeit, selbst Opfer eines terroristischen
Anschlags zu werden, nach wie vor sehr gering ist. Wer eine
Großveranstaltung besucht, muss das nicht in Angst tun. Trotzdem
haben die Terroristen unsere Köpfe bereits besetzt. Wie gut die
Strategie des Islamischen Staates aufgeht, ließ sich nachfühlen, als
am Montag gemeldet wurde, dass in Marseille ein Autofahrer in zwei
Bushaltestellen gerast ist. Die Vermutung, dass es sich um einen
terroristischen Anschlag handelte, war sofort da - und erwies sich
als falsch. Was die Terroristen langfristig anstreben, ist eine
Radikalisierung und Polarisierung der europäischen Gesellschaften.
Ihre Rechnung geht auf, wenn Extreme auf beiden Seiten des
politischen Spektrums Zuwachs bekommen und Muslime sich noch weiter
ausgeschlossen fühlen. Für die Ansprache des Islamischen Staates




werden sie so verführbarer. Die Attentate von Barcelona und Cambrils
sind also Teil der europäischen Strategie der Dschihadisten. In den
vergangenen Monaten haben sich Anschläge gehäuft. Das hat damit zu
tun, dass das selbst ernannte IS-Kalifat in Syrien und im Irak
praktisch am Ende ist. Leider muss man auch damit rechnen, dass in
den kommenden Monaten weitere Anschläge folgen werden. Umso
skandalöser ist es, dass es noch immer keine nahtlose Zusammenarbeit
der europäischen Sicherheitsbehörden gibt. Zwar ist eine lückenlose
Überwachung von Gefährdern nie möglich. Aber meistens hat sich nach
Attentaten herausgestellt, dass die Terroristen polizeibekannt waren.
Andererseits kann man den spanischen Sicherheitsbehörden nicht
pauschal vorwerfen, dass sie untätig waren. In den vergangenen Jahren
wurden mehr als 200 Terrorverdächtige festgenommen. Es gab
vorbeugende Inhaftierungen. Auch der Nachzug von Migranten aus dem
Maghreb sowie den Ländern südlich der Sahara wurde stark begrenzt.
Die Erkenntnisse der spanischen Ermittler legen aber nahe, dass das
Land einen ähnlichen Fehler begangen hat, wie das benachbarte
Frankreich, wo Laizismus ein Grundpfeiler der Republik ist. Man hat
unterschätzt, in welch hohem Maß die Religion muslimischen
Einwanderern Orientierung bietet. In beiden Staaten gibt es keinen
islamischen Religionsunterricht an Schulen. Radikale Imame nutzen
dieses Vakuum. Einer von ihnen wurde offenbar zu einer großen
Autorität für die Attentäter von Barcelona. Die Lehre daraus muss
sein, dass gegen salafistische Prediger und dschihadistische Moscheen
so früh wie möglich vorgegangen wird. Sie gewähren zu lassen, wäre
falsch verstandene Toleranz.



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Datum: 21.08.2017 - 20:19 Uhr
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