(ots) - Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen fordert
die sofortige Freilassung von willkürlich eingesperrten Flüchtlingen
und Migranten aus menschenunwürdigen Internierungslagern in Libyen.
Teams der Organisation leisten seit mehr als einem Jahr medizinische
Hilfe in sieben Internierungslagern in Tripolis, welche offiziell
unter Kontrolle des Innenministeriums der international anerkannten
Einheitsregierung stehen. Insgesamt haben Mitarbeiter 16 solcher
Gefängnisse besucht. Mit der Publikation "Human Suffering - Inside
Libya´s migrant detention centers" dokumentiert die Organisation in
Fotos und Texten die entsetzlichen Haftbedingungen.
"Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung und die EU-Staaten
mit Hilfe der von ihr unterstützten libyschen Küstenwache
Schutzsuchende in menschenunwürdige Gefängnisse im Konfliktgebiet in
Libyen zurückdrängen", sagt Philipp Frisch, Leiter des Teams für
humanitäre Fragen bei Ärzte ohne Grenzen in Deutschland.
"Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Gabriel sind
mitverantwortlich für diese Politik der Auslagerung von Verantwortung
und verurteilen damit Flüchtende zu Folter und Leid in Libyen. Die
Bundesregierung und die EU müssen jegliche Unterstützung für die
libysche Küstenwache einstellen und auf die sofortige Freilassung der
willkürlich inhaftierten Menschen aus den entsetzlichen
Internierungslagern drängen."
"Den Gefangenen wird in den Internierungslagern jede Menschenwürde
abgesprochen. Sie werden misshandelt und haben keinen Zugang zu
medizinischer Hilfe", beschreibt Sibylle Sang, medizinische Leiterin
der zuständigen Projektabteilung von Ärzte ohne Grenzen. "Unsere
Teams sehen täglich, wie viel unnötiges Leid den Menschen zugefügt
wird, indem man sie unter solchen Bedingungen einsperrt. Wir können
kaum etwas tun, um dieses Leid zu lindern."
Die medizinischen Teams behandeln jeden Monat mehr als tausend
willkürlich inhaftierte Flüchtlinge und Migranten. Ihre häufigsten
Beschwerden sind Atemwegsinfekte, Durchfallerkrankungen,
Harnwegsinfektionen, Krätze und Befall durch Läuse. Viele der Lager
sind vollkommen überbelegt. Die Menschen haben oft nicht einmal genug
Platz, sich zum Schlafen hinzulegen. Es gibt wenig Tageslicht und
kaum Durchlüftung. Immer wieder haben die Gefangenen nichts zu essen
bekommen, so dass selbst Erwachsene an Mangelernährung leiden. Einige
dieser Patienten mussten sofort ins Krankenhaus gebracht werden.
Im Zustand völliger Gesetzlosigkeit in Libyen gibt es kaum eine
Aufsicht über die Internierungslager, geschweige denn eine
Regulierung. Selbst grundlegende gesetzliche und verfahrensrechtliche
Maßgaben zum Schutz vor Folter und Misshandlung werden nicht
beachtet. Es gibt keine formale Registrierung der Eingesperrten und
keine Dokumentation von Inhaftierungen und Entlassungen. Sobald
Menschen in einem Internierungslager eingesperrt werden, kann niemand
herausfinden, was mit ihnen geschieht. Das macht auch eine
längerfristige Behandlung von Patienten äußerst schwierig. Von einem
Tag auf den nächsten werden Gefangene in andere Internierungslager
verlegt oder an unbekannte Orte gebracht. Manche Patienten
verschwinden einfach spurlos. Die medizinische Hilfe, die Ärzte ohne
Grenzen unter diesen Umständen leisten kann, wird dadurch extrem
behindert.
Der Zugang zu Internierungslagern ist zudem eingeschränkt, wenn es
in Tripolis zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Milizen kommt.
Selbst die Kontrolle über Internierungslager ändert sich manchmal
über Nacht, sodass der Zugang der medizinischen Teams zu ihren
Patienten mit den neuen Machthabern erst wieder ausgehandelt werden
muss. Ärzte ohne Grenzen hat wegen der anhaltenden Gewalt und
Unsicherheit in Tripolis keinen Zugang zu zahlreichen
Internierungslagern.
Um das Leid der Flüchtlinge und Migranten in Libyen zu lindern,
reicht der Ansatz der EU, einfach mehr Geld zu zahlen, nicht aus.
Dieser verengte Fokus auf eine Verbesserung der Haftbedingungen läuft
Gefahr, ein System willkürlicher Inhaftierung ohne jegliche
rechtsstaatliche Kontrolle zu legitimieren und zu verstetigen und die
Menschen somit auf Dauer Gefahr und Ausbeutung auszusetzen.
Die Web-Publikation "Human Suffering - Inside Libya´s migrant
detention centers" kann hier abgerufen werden:
https://msf.exposure.co/human-suffering
Ärzte ohne Grenzen leistet seit einem Jahr medizinische Hilfe für
willkürlich inhaftierte Flüchtlinge und Migranten in Tripolis.
Darüber hinaus leisten Teams medizinische Hilfe in vier
Internierungslagern in der Region Misrata. Pro Monat behandeln sie
dort etwa 100 Patienten und überweisen etwa zwölf Patienten, die eine
umfassendere Behandlung benötigen, in Gesundheitseinrichtungen der
Region. Zuletzt wurden mobile Kliniken in Misrata und südlich der
Stadt für Flüchtlinge und Migranten außerhalb der Internierungslager
eingerichtet.
Seit 2011 unterstützt die Organisation medizinische Einrichtungen
in Libyen durch Medikamente und medizinisches Material und
verschiedentlicher Hilfe. In Bengasi behandelt ein Team Kinder und
Frauen, insbesondere Schwangere, und leistet psychologische Hilfe.
Pressekontakt:
Stefan Dold, 030 700 130 239, stefan.dold(at)berlin.msf.org,www.msf.de,
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