PresseKat - BDZV-Zeitungskongress 2017: Informationsflutüberfordert Teile der Gesellschaft / Allensbach-Chefin

BDZV-Zeitungskongress 2017: Informationsflutüberfordert Teile der Gesellschaft / Allensbach-Chefin Renate Köcher präsentiert neue Studie: "Die informierte Gesellschaft - Fakt oder Illusion?"

ID: 1531040

(ots) - Die unendliche Fülle der zur Verfügung stehenden
Informationen führt in Teilen der Gesellschaft zu einer
Informationsillusion. Das erklärte die Leiterin des Instituts für
Demoskopie Allensbach (IfD), Professor Dr. Renate Köcher, heute beim
Jahreskongress des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV)
in Stuttgart. Die Meinungsforscherin warnte vor den
gesellschaftlichen Auswirkungen: "Eine sinnvolle Selektion aus der
Überfülle und eine disziplinierte Organisation des eigenen
Informationsverhaltens sind Herausforderungen, die teilweise zu einer
neuen Spaltung der Gesellschaft führen - nämlich in diejenigen, die
von dem breiteren Informationsangebot profitieren und tatsächlich
besser informiert sind, und in diejenigen, denen es schwerfällt, ihre
Information in dieser Überfülle und Schnelligkeit des Angebotes
sinnvoll zu organisieren."

Köcher erläuterte anhand ihrer im Auftrag des BDZV angefertigten
Studie mit dem Titel "Die informierte Gesellschaft - Fakt oder
Illusion?", dass die Fülle der verfügbaren Informationen einerseits
zu einer schärferen Selektion führe, andererseits ein guter
Informationsstand oft definiert werde als "auf dem Laufenden sein,
wissen, was gerade passiert". Dabei gehe es jedoch nicht um ein
tieferes Verständnis der Ereignisse, ihrer Ursachen und Konsequenzen.
52 Prozent der Bevölkerung informierten, wie die Untersuchung ergeben
habe, mehrmals täglich über die neuesten Nachrichten; 42 Prozent
präferierten knappe und kurze Informationen; nur 31 Prozent legten
großen Wert darauf, sich gründlich zu informieren. Jeder Zweite halte
15 bis maximal 30 Minuten oder weniger täglich für ausreichend, um
einen guten Informationsstand zu sichern.

Laut Studie ist die große Mehrheit der Bürger Deutschlands
subjektiv davon überzeugt, dass der Informationsstand heute generell




höher ist als vor Einführung des Internets. Mit Blick auf das eigene
Wissen ziehe die überwältigende Mehrheit sogar eine ausgesprochen
positive Bilanz, führte Köcher aus. 72 Prozent stuften sich in Bezug
auf das aktuelle Geschehen als gut informiert ein. Vor diesem
Hintergrund liege die Frage nahe, "ob die stete Konfrontation mit
einem schier unerschöpflichen Informationsangebot nicht nur zu einem
höheren Informationsstand führt, sondern teilweise auch zu einer
Informationsillusion?". Diese Vermutung werde in der Studie partiell
bestätigt, erklärte die Meinungsforscherin, denn schon konkretere
Nachfragen, bei welchen Themen man sich denn gut informiert fühle,
führten zu einer wesentlich bescheideneren Bilanz: Stehe etwa
abstrakt das weltweite Geschehen zur Diskussion, stuften sich 61
Prozent der gesamten Bevölkerung als gut informiert ein. Jede
Konkretisierung reduziere diese Selbstbeinschätzung jedoch drastisch.
So seien beispielsweise nur 29 Prozent der Befragten überzeugt, dass
sie auch in Bezug auf aktuelle Entwicklungen im Zusammenhang mit
Russland gut informiert seien; in Bezug auf die Politik der
Europäischen Kommission oder die Beschlüsse des europäischen
Parlaments sei es gerade einmal jeder Fünfte.

Die Auswirkungen seien insbesondere bei jungen Menschen zu
beobachten: Das Interessenspektrum unter 30-Jähriger habe sich in den
vergangenen 15 Jahren stark verengt. Dies liegt laut Studie daran,
dass Jugendliche sich heute früh daran gewöhnten, primär
Informationen zu Themen zu suchen, die sie von vornherein
interessieren. "Interesse für Politik oder Wirtschaft ist jedoch
nicht naturgegeben und entsteht auch nicht plötzlich, sondern im
Allgemeinen durch die kontinuierliche, geduldige Auseinandersetzung
auch mit Themen, die zunächst eher als spröde oder langweilig
empfunden werden", erklärte Köcher. Dieser Prozess komme heute nicht
mehr in dem Maß in Gang wie in Zeiten, in denen die regelmäßige
Information über ein vorstrukturiertes Angebot in Fernsehen und
Printmedien auch in der jungen Generation die Regel gewesen sei. Ihr
Fazit: "Die Entwicklung des Interessenspektrums wie auch des
Informationsstands der Gesellschaft hängen nicht nur von dem
Informationsangebot ab, sondern in hohem Maß von der Bereitschaft und
Disziplin, sich kontinuierlich und geduldig zu informieren."



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Datum: 18.09.2017 - 17:10 Uhr
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