(ots) - Am Ende dieser Woche bleiben mehr Fragen als
wirkliche Antworten, was dafür spricht, dass die Parteien das
Wahlergebnis noch nicht verkraftet haben - in die eine (euphorische)
wie in die andere (depressive) Richtung. Frage eins: Warum wird ein
so energischer, so engagiert kämpfender, so permanent die
Kanzlerposition fordernder Spitzenkandidat wie Martin Schulz nicht
Fraktionschef der SPD? 20,5 Prozent sind einem beachtlichen Teil der
SPD offenbar nicht gut genug, um weiterhin zu 100 Prozent auf
"Martin, Martin" zu setzen. Das prägt die Gefühlslage und damit die
künftige personelle Strategie der größten Oppositionspartei. Wenn
Schulz nicht mehr zugetraut wird, im Bundestag die SPD zu führen,
dann sollte er auch nicht länger Parteichef bleiben. Das ist ein
fauler Kompromiss. Opposition sei "Mist", sagte einmal der ehemalige
SPD-Chef Franz Müntefering. Opposition mit Doppelspitze ist erst
recht Mist. Die SPD wird sich auch hier wieder irgendwann über den
ausbleibenden Effekt und die fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung
wundern. Weil die Faszination rund um Andrea Nahles außerhalb der
sozialdemokratischen Genossenschaft überschaubar bleiben wird. Sie
ist bislang ein parteiinternes Phänomen. Rückwärtsgewandte CSU Frage
zwei: Warum leugnet die CDU ignorant und arrogant eklatante
Versäumnisse im Bereich zukunftsorientierter Politik, schwere Fehler
im Wahlkampf und die Dürre in ihrer Personalabteilung? Die CDU
praktiziert ihr ideenarmes "Weiter so", weil sie auf die
abgehalfterte CSU-Spitze starrt und von beratungsresistenten
Verlierern wie Horst Seehofer abhängig ist. Ohne die
rückwärtsgewandte CSU könnte sie mit der FDP und den Grünen ein
modernes Konzept für diese Legislaturperiode vereinbaren. "Jamaika"
kann ein durchaus attraktiver Gegenentwurf zur großen Koalition sein.
Ohne die CSU in ihrer derzeitigen Verfassung und Erstarrung: Die
bayerische Partei hält den bundesweiten Betrieb gewaltig auf. Kluger
Pragmatismus gefragt Frage 3: Warum reden wir zu 87,4 Prozent über
die 12,6-Prozent-Partei auf der rechten Seite? Weil wir keinen Mumm
mehr in den Knochen haben, jetzt nach vorne zu schauen und
anzupacken. Weil wir über Begriffe wie "Obergrenze" streiten, statt
vernünftige und vor allem wirksame Maßnahmen zu beschließen. Weil
immer noch parteipolitische Kosmetik und Schuldzuweisungen eine
Hauptrolle spielen. Wir brauchen jetzt einen klugen Pragmatismus, der
sich auf das Notwendige und Mögliche konzentriert und von vornherein
unrealistische Bedingungen vermeidet. Es ist höchste Zeit! Frage
vier: Werden wir bis Weihnachten eine neue Regierung haben? Ja.
Deutschland kann sich belgische oder niederländische Verhältnisse
nicht leisten. Wir würden historisch versagen, wenn wir den
französischen Staatspräsidenten Macron mit seinem mutigen
Zukunftskonzept für Europa im Stich lassen würden. Wenn wir uns nicht
konstruktiv mit den Plänen von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude
Juncker befassen würden. Wenn wir angesichts der internen
europäischen Krise (Osteuropa, Südeuropa,Brexit, Migration) und den
außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen (USA, Türkei,
Russland, Nahost) als größtes EU-Land den Diskurs verweigerten -
wegen Obergrenzen-Debatten einer fundamental zerstrittenen
bayerischen Landespartei. Frage fünf: Kommt alles anders? So wie wir
diese Woche die deutschen "Spitzenpolitiker" erlebt haben, ist denen
alles zuzutrauen.
Pressekontakt:
Aachener Zeitung
Redaktion Aachener Zeitung
Telefon: 0241 5101-389
az-blattmacher(at)zeitungsverlag-aachen.de
Original-Content von: Aachener Zeitung, übermittelt durch news aktuell