(ots) - Eine Woche nach dem Massaker in Las Vegas
wissen wir trotzt "Rund-um-die-Uhr"-Berichterstattung wenig über die
Motive des Täters. Dafür verstehen wir umso besser, warum der nächste
Massenmord nicht eine Frage des "ob", sondern nur des "wann" ist.
Zuerst und zuvorderst hat das mit dem Waffenkult in einem Land zu
tun, in dem es mehr Schießeisen als Einwohner gibt. Je grausiger das
Verbrechen, desto mehr rüsten die Amerikaner in den Tagen danach auf.
Und lockern die Waffengesetze. In den fünf Jahren seit dem Blutbad an
der Grundschule von Sandy Hooks haben es mehr als zwei Dutzend
Bundesstaaten nicht schwerer, sondern leichter gemacht, eine Waffe zu
kaufen. Frei nach dem Motto der Waffenlobby NRA, das gegen einen
Bösewicht mit einer Knarre nur ein guter Kerl mit einer Waffe etwas
ausrichten könne. Eine Studie der "Harvard Business School" fand
heraus, dass nach einer Massenschießerei in einem republikanisch
regierten Gliedstaat die Zahl der Lockerungs-Gesetze für den
Waffenkauf um 75 Prozent steigen. In demokratischen Staaten fällt
dieser Effekt deutlich geringer aus. Was zu dem zweiten Grund führt,
warum jenseits kosmetischer Zugeständnisse - wie nach Las Vegas mit
der Regulierung sogenannte "Bump Stocks" - keine ernsthafte Reform
des Waffenrechts möglich scheint. Die Debatte um das Waffenrecht ist
eine Facette des monumentalen Konflikts zwischen den beiden Amerikas,
die in unterschiedlichen Universen leben. Die multikulturellen
Ballungszentren sind in der globalisierten Welt angekommen, während
sich das ländliche und industrielle Amerika in seiner Lebensweise
bedroht sieht. Donald Trump hat diese Befindlichkeit verstanden und
beutet sie bis heute aus. Dazu gehören die Abschottung gegen eine
bedrohlich empfundene Welt, Einwanderer und Flüchtlingen,
Übersteigerung nationaler Symbole wie Fahnen, Hymnen und Denkmäler.
Und eben auch das Recht auf Waffenbesitz, das Verlierer stark fühlen
lässt. Dass die Zahl der Waffen in den USA mit dem Advent der
Globalisierung Anfang der 90er Jahre um mehr als die Hälfte zulegte,
dürfte kein Zufall sein. Neben der schieren Zahl an Waffen und dem
fehlenden Willen, diese zu regulieren, verhindert der ritualisierte
Umgang mit Bluttaten, wie der von Las Vegas, eine echte Aufarbeitung.
Im Gegenteil haben die Medien ihren Anteil daran, den nächsten
Massmörder zur Nachahmung zu verleiten. Es gibt eine Fülle an
Forschungsergebnissen, die zeigen, wie "ansteckend"
Massenschießereien sind. Laut einer Studie der "Arizona State
University" trägt die Berichterstattung der Medien zur Übertragung
des Keims auf sogenannte "Copycats" bei. Statt dem Täter so weit wie
möglich die Aufmerksamkeit zu verweigern, bekommen diese eine große
Bühne aufgestellt. Das Massaker als Massenspektakel hat mehr mit der
Jagd nach Einschaltquoten als der Befriedigung eines berechtigten
Interesse der Öffentlichkeit an Information zu tun. Gemessen daran
wäre der Ertrag der Berichterstattung über das Mandalay-Massaker eher
dürftig. Das summarische Wissen über den Täter ließe sich in zwei
Absätzen zusammenfassen. Es schwer nachzuvollziehen, warum die Medien
dem nächsten Wahnsinnigen detaillierte Gebrauchsanleitungen liefern
sollten, in möglichst kurzer Zeit, möglichst viele Menschen zu
ermorden. Doch weil es nicht nur um die Waffen, sondern vor allem um
die Einstellungen dazu geht, wird sich auch diesmal wenig ändern. Die
US-Gesellschaft ist zu zerrissen, diese Epidemie der Gewalt unter
Kontrolle zu bekommen. Amerika bleibt so im Würgegriff des
Waffenkults.
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