PresseKat - Flüchtlinge in Griechenland: Psychosozialer Notstand auf den griechischen Inseln Ärzte ohne Grenze

Flüchtlinge in Griechenland: Psychosozialer Notstand auf den griechischen Inseln
Ärzte ohne Grenzen fordert sofortige Umsiedlung auf das Festland

ID: 1538511

(ots) -

Sperrfrist: 10.10.2017 00:00
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Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen wirft Griechenland und
der EU vor, für einen psychosozialen Notstand unter Asylsuchenden auf
den griechischen Inseln mitverantwortlich zu sein. Die Teams der
Organisation auf Lesbos und Samos behandeln immer häufiger Patienten,
die Selbstmordversuche oder Selbstverletzungen unternommen oder
psychotische Episoden durchlebt haben. Ein heute veröffentlichter
Bericht zeigt, dass Gewalt, Vernachlässigung und die schlechten
Lebensbedingungen den dramatisch schlechten seelischen
Gesundheitszustand vieler Patienten maßgeblich verursachen. Ärzte
ohne Grenzen fordert Griechenland und die EU auf, alle Asylsuchenden
sofort auf das griechische Festland umzusiedeln, wo sie angemessen
untergebracht werden können und besseren Zugang zu nötiger
Gesundheitsversorgung haben.

"Diese Menschen haben Bombardements, extreme Gewalt und
traumatische Erfahrungen in ihren Heimatländern und auf der Flucht
nach Europa erlebt", sagt Jayne Grimes, die das psychosoziale
Programm von Ärzte ohne Grenzen auf Samos leitet. "Doch es sind die
Lebensumstände auf den griechischen Inseln, die sie in Verzweiflung,
Hoffnungslosigkeit und selbstverletzendes Verhalten treiben. Es ist
eine Schande. Jeden Tag behandeln unsere Teams Patienten, die ihnen
sagen, dass sie lieber in ihren Heimatländern gestorben wären als
hier gefangen zu sein."

Während des Sommers kamen pro Woche sechs bis sieben neue
Patienten nach Selbstmordversuchen, Vorfällen von Selbstverletzung
oder psychotischen Episoden mit akutem Behandlungsbedarf in die
Klinik von Ärzte ohne Grenzen auf Lesbos. Im Vergleich zu den
vorangegangenen drei Monaten stieg die Zahl der Patienten in dieser




Klinik um 50 Prozent.

Die psychische Belastung vieler Patienten wurde durch
Gewalterfahrungen verschlimmert, die sie auf dem Fluchtweg oder in
Griechenland erlebt haben. Eine systematische Befragung von
Geflüchteten durch Ärzte ohne Grenzen und die Forschungseinrichtung
"Epicentre" zu Beginn des Jahres auf Samos zeigt: Fast die Hälfte der
Befragten hat in der Türkei Gewalt erfahren, und fast ein Viertel hat
seit der Ankunft in Griechenland Gewalt erlebt. Personen, die nach
dem EU-Türkei-Abkommen im März 2016 Samos erreichten, wurden häufiger
zum Opfer von Gewalt in der Türkei und in Griechenland als
diejenigen, die zuvor ankamen. Zwischen 50 und 70 Prozent der
Gewaltvorfälle wurden laut den Berichten von staatlichen Autoritäten
verübt.

"Die Menschen auf das Festland zu bringen, ist ein humanitärer
Imperativ", sagt Louise Roland-Gosselin von Ärzte ohne Grenzen in
Griechenland. "Die EU-Staaten und die griechischen Behörden sind für
dieses Leid direkt verantwortlich. Die extreme Verletzlichkeit der
Menschen und das komplette Versagen aller Ankunftssysteme auf den
Inseln lassen keine andere Maßnahme zu." Die psychosoziale Versorgung
der Asylsuchenden, einschließlich psychiatrischer Behandlung, muss
dringend ausgeweitet werden.

Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit Juli 2015 auf Lesbos. Im Oktober
2016 eröffnete das Team in der Inselhauptstadt Mytilini eine Klinik
für Asylsuchende, darunter Patienten aus dem früheren EU-Hotspot
Moria und dem Lager Kara Tepe. Die Klinik bot primäre
Gesundheitsversorgung, gynäkologische und Mutter-Kind-Untersuchungen,
psychische Behandlung und die Behandlung von chronischen Krankheiten
an. Mittlerweile konzentriert sich das Team auf Ãœberlebende von
Folter, sexueller Gewalt und Patienten mit schweren psychischen
Störungen und leistet ihnen medizinische wie psychologische Hilfe.
Zwischen Januar und August 2017 hielt das Team von Ärzte ohne Grenzen
auf Lesbos 2.100 allgemeinmedizinische Sprechstunden, 1.060
gynäkologische und Mutter-Kind-Untersuchungen und 1.270
klinisch-psychologische Beratungen ab.

Auf Samos betreibt Ärzte ohne Grenzen in Vathy eine temporäre
Unterkunft für verletzliche Menschen, in der bis zu 80 Personen
untergebracht werden können. Von Januar bis August 2017 hat das Team
auf Samos 460 klinisch-psychologische Beratungen angeboten.



Pressekontakt:
Der Bericht "Confronting the mental health emergency on Samos and
Lesvos" kann unter folgendem Link heruntergeladen werden:
http://msf.de/pC

Stefan Dold, 030 700 130 239, stefan.dold(at)berlin.msf.org, www.msf.de,
Twitter: (at)msf_de

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