(ots) - Spätestens jetzt müsste klar sein, dass der
"Amerika-über-Alles"-Präsident wild entschlossen ist, den
transatlantischen Konsens zu Grabe zu tragen. Dieser beruhte auf
einer von den USA geschaffenen Nachkriegsordnung, die mit einem Netz
an multilateralen Organisationen und Verträgen Frieden und Freiheit
sicherten. Der Atom-Vertrag mit Iran kann neben dem Pariser
Klimaabkommen als die letzte große Errungenschaft dieser Politik
verstanden werden. Gemeinsam gelang es Europäern und Amerikanern die
aufstrebende Hegemonialmacht Iran in ein Abkommen einzubinden, das
Teheran über mindestens ein Vierteljahrhundert daran hindert, in die
Liga der Atommächte aufzusteigen. Was in Nordkorea scheiterte, gelang
mit Iran dank einer zähen und robusten Diplomatie, die es verstand
auch China und Russland mit an Bord zu holen. Dass sich Iran bis
heute auf Punkt und Komma an das 140 Seiten starke Vertragswerk hält,
verdiente den Unterhändlern eigentlich einen Nobelpreis. Stattdessen
werden diese nun von einem Präsidenten denunziert, der offenkundig
nicht versteht, worum es in dem Abkommen geht. Gegenstand sind weder
iranische Raketen noch die Politik der Mullahs im Mittleren Osten und
auch nicht die Menschenrechte in dem Gottesstaat. Genau wegen dieser
bedenklichen Ambitionen zielt der Vertrag darauf ab, Iran daran zu
hindern, sich wie Nordkorea militärisch zu immunisieren.
Verteidigungsminister James Mattis, der Stabschef im Weißen Haus John
Kelly und Außenminister Rex Tillerson verstehen diese Implikationen
und argumentierten gegen einen Ausstieg. Ihre interne
Eindämmungsstrategie zielte darauf ab, Trump einen kontrollierten
Wutausbruch zu erlauben, ohne die USA sofort vertragsbrüchig zu
machen. Die Hoffnung ruht nun auf dem US-Kongress, der 60 Tage Zeit
hat, zu entscheiden, ob er die Sanktionen gegen Iran wieder in Kraft
setzt. Erst dann wären die USA nicht mehr Partei des "Joint
Comprehensive Plan of Action". Die Botschafter der EU arbeiten unter
Hochdruck daran, die Gesetzgeber auf dem Kapitolhügel zur Räson zu
rufen. Ihr stärkstes Argument, ist der Erhalt der Glaubwürdigkeit
amerikanischer Diplomatie. Wenn die USA sich nicht mehr an
geschlossene Verträge halten, gerät das gesamte Fundament der
multilateralen Weltordnung ins Wanken. Warum sollte sich etwa
Nordkorea auf Verhandlungen mit Trumps Amerika einlassen, wenn eine
Vereinbarung die Halbwertzeit eines Twitter-Zyklus hat? Trumps
Sabotage des Atom-Abkommens fügt sich ein in die Entscheidung, aus
der Unesco auszutreten, sich von den Freihandelsabkommen Nafta und
TTP abzuwenden, die Nato in Frage zu stellen und aus dem Pariser
Klimaabkommen auszuscheren. Der US-Präsident verfolgt eine
"Rückzugs"-Doktrin, die darauf abzielt, Kompromiss durch das Recht
des Stärkeren zu ersetzen. Das sind nicht die Werte, auf denen das
transatlantische Bündnis gründet. Deshalb darf Europa nicht länger
bloß darauf hoffen, Trump werde schon irgendwie unter Kontrolle
gehalten und sei, wie es in einem gerade veröffentlichten Appell
heißt, ein Präsident "suis generis". Das ließe sich auch über andere
Führer sagen, die ihre Nationen und die Welt in die Katastrophe
geführt haben. Wenn dieser Freitag, der 13., nicht als Unglückstag in
die Geschichtsbücher eingehen soll, sollte er als Impuls verstanden
werden, aktiv an einer Eindämmungsstrategie zu arbeiten, die das
transatlantische Erbe für hoffentlich einmal bessere Zeiten
konserviert.
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