(ots) -
Ein Asylbewerber warnte zwei Mal die Behörden vor dem späteren
Attentäter Anis Amri. Der Syrer Mohamed J. schilderte im Herbst 2015
dem Sozialarbeiter seiner Flüchtlingsunterkunft und im Juni 2016 in
seinem Asylverfahren Amri als radikalen und gefährlichen Islamisten
mit Kontakten zum sogenannten Islamischen Staat. Nach Recherchen des
ZDF-Magazins "Frontal 21" (Sendung am Dienstag, 17. Oktober 2017,
21.00 Uhr) vernahm die Polizei den Zeugen erst Wochen nach dem
Berliner Terroranschlag. Das geht aus internen Dokumenten hervor, die
der Redaktion vorliegen.
Mohamed J. teilte im Herbst 2015 über Wochen in Emmerich am Rhein
ein Zimmer mit Anis Amri. Der spätere Attentäter lebte dort unter dem
falschen Namen "Mohammed Hassa". Der Mitbewohner kannte Amris
richtige Identität und wusste von dessen Kontakten zu syrischen
Dschihadisten. "Anis hat sich nicht verstellt", berichtet der Zeuge
im Interview mit "Frontal 21". "Er sagte zu uns offen: 'Was macht ihr
hier im Land der Ungläubigen? Ich will nach Syrien gehen und im
Dschihad kämpfen. Geht auch nach Syrien und kämpft mit unseren
Brüdern.'" Mohamed J. meldete dies seinem Sozialarbeiter im Oktober
2015.
Laut Angaben des Bundesinnenministeriums habe die zuständige
Ausländerbehörde Kleve die Warnungen vor dem IS-Sympathisanten an die
Polizei weitergeleitet. Die habe am "28.10.2015 einen sogenannten
'Prüffall Islamismus' angelegt". Doch Mohamed J. wurde nicht zeitnah
von der Polizei als Zeuge vernommen: "Es gab keine Rückfragen von der
Polizei", sagte Mohamed J. dem ZDF.
Im Juli 2016 informierte Mohamed J. das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge (BAMF) über den radikalen Tunesier. "Der Tunesier ist
sehr islamistisch radikal. (...) Er ist dann nach Berlin gezogen und
hat dort einen neuen Asylantrag gestellt mit einer neuen Identität",
sagt der Zeuge wörtlich in der Anhörung vom 27. Juli 2016. Eine Kopie
der Anhörung liegt der Redaktion "Frontal 21" vor. Das BAMF will sich
aus datenschutzrechtlichen Gründen zum konkreten Fall nicht äußern.
Das Amt sei aber in ständigem Kontakt mit den Sicherheitsbehörden
gewesen.
Tatsächlich wurde Mohamed J. erst am 30. Januar 2017, Wochen nach
dem Attentat, zur Zeugenvernehmung vorgeladen. Das geht aus
Polizeidokumenten hervor, die der Redaktion vorliegen. Moritz Körner,
der für die FDP im Amri-Untersuchungsausschuss des
nordrhein-westfälischen Landtages sitzt, kritisiert das Vorgehen der
Ermittler: "Das wäre, sollte sich das so bewahrheiten, ein eklatantes
Versagen unserer Sicherheitsbehörden."
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