(ots) - John Grishams Roman "Die Firma", 1993 mit Tom
Cruise verfilmt, war im Grunde die frühe Vorwegnahme der
Paradise-Papers dieser Tage. Ein Anwaltsbüro als
Geldwäscheorganisation, Briefkastenfirmen auf Karibikinseln, dazu
mafiöse Verbindungen zu den Behörden. Das war, wie sich an den
aktuellen Enthüllungen zeigt, keine Fiktion. Über das reale
Verschieben und Verstecken sagenhafter Vermögenswerte, das
Verschleiern unglaublicher Gewinne, das Waschen schmutzigen Geldes
wird dank vieler Datenlecks seither nahezu jährlich berichtet.
Steuer-CDs, Panama-Papers, Luxemburg-Leaks, jetzt dies. Und es
geschieht - nichts? Das stimmt so nicht. Seit der Weltfinanzkrise
2007 haben die G20 und die OECD sehr viel unternommen, um die global
agierenden Steuervermeidungsnetzwerke offen zu legen und
auszutrocknen. Auf dem Papier. Es wurden weiße und schwarze Listen
der Länder erstellt, es ist ein Informationsaustausch über
Vermögensverschiebungen vereinbart worden, es gibt Ideen gegen das
trickreiche Verschleiern von Gewinnen. Nur: All das geht schon bei
der Beratung unendlich langsam voran, geschweige denn bei der
Umsetzung. Mal wollen beteiligte Staaten wie Großbritannien oder die
Niederlande ihre überseeischen Steueroasen schützen, mal verweigern
Länder wie etwa Panama komplett die Kooperation. Das Ergebnis von
zehn Jahren Politik einer neuen Finanzmarktkontrolle zeigt der
aktuelle Skandal: Alle machen munter weiter wie bisher. Nur noch
versteckter. Und es sind nicht nur Drogenbarone, die ihr kriminelles
Geld waschen. Es sind bekannte Politiker, große, international
agierende Konzerne, gut beleumundete Milliardäre. Das sind trotzdem
keine ehrbaren Leute. Keiner von ihnen. Im Gegenteil: Sie machen die
Welt kaputt. Vieles, was sie tun, ist sogar legal oder wenigstens
halblegal. Aber es ist in keinem Fall legitim. Das, was hier
stattfindet, ist perversester Raubtierkapitalismus, ist Betrug an der
Gemeinschaft, ist die Aushöhlung jedes Solidargedankens - und damit
letztlich der Demokratie. Warum sollen die normalen Menschen sich an
Gesetze halten, wenn die Großen sie umgehen? Warum soll man brav
Steuern zahlen, wenn ab ein paar Millionen Euro aufwärts Anwaltsbüros
die Sache diskret regeln? Warum soll man als Mittelständler sauber
wirtschaften, wenn Apple, Uber, Facebook, Nike und Co. zu den
Ländern, in denen sie ihre Wertschöpfung erzielen, fast nichts mehr
beitragen? Fortschreitende Digitalisierung, Globalisierung und
gleichzeitig eine immer größere werdende Kluft zwischen Arm und Reich
- es ist absehbar, dass so ein System irgendwann implodieren wird.
Die jüngsten Enthüllungen fallen in eine Zeit, da die Wölfe auf den
Finanzmärkten wieder lauter heulen und die Schafe sich ducken.
Großbritannien ist aus der EU ausgetreten und plant, mit
Steuerdumping seinen Finanzmarkt zu retten; Trump entlastet die
amerikanischen Reichen massiv und hat wenig Interesse, sie Offshore
zu verfolgen. Beide Länder sind keine Partner mehr im internationalen
Kampf gegen den Steuerhinterziehungssumpf, und dennoch darf man
diesen Kampf nicht aufgeben. Deutschland ist ein wichtiger Teil der
EU. Und die ist noch immer stark genug, um Sanktionen gegen
unkooperative Länder aussprechen zu können oder Banken zu bestrafen,
die die Geldtransfers organisieren. Die Paradise-Papers sind ein
weiterer Anlass, in Brüssel jetzt eine Strategie für die nächsten
Jahre zu formulieren, auch im Umgang mit Großbritannien und den USA.
Das ist ein Thema, auf dass sich die Jamaika-Sondierer auch noch
einigen müssen. Und zwar dringend.
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