Widerrufsbelehrungen von Online-Shop-Betreibern und eBay-Händlern weisen nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ein hohes Abmahnrisiko auf. Der EuGH erteilt der generellen Verweigerung von Wertersatz beim Widerruf eine Absage.
(firmenpresse) - Das Widerrufsrecht bei Geschäften, die im Internet abgeschlossen werden, sollen Verbraucher schützen. Da diese nicht die Möglichkeit haben, wie in einem Laden die Sache zu prüfen, sollen sie die über das Internet gekaufte Ware bei Nichtgefallen einfach an den Verkäufer zurück schicken dürfen. Natürlich sollen die Verbraucher hierdurch nicht übervorteilt werden. Deshalb sieht das Widerrufsrecht in Deutschland vor, dass Verbraucher dann Wertersatz für die Nutzung der Sache leisten müssen, wenn sie diese über die übliche Prüfung – wie man sie auch im Laden hätte durchführen können – nutzt. Beispiel hierfür: Verbraucher kauft sich einen Pkw, fährt diesen 100.000 km, widerruft und verlangt den Kaufpreis heraus. Hier konnte der Verkäufer einwenden, dass eine Wertersatzpflicht besteht. Dies ist nach der Entscheidung des EuGH nun nicht mehr so eindeutig.
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass eine gesetzliche Regelung, nach welcher auch im Falle der Ausübung des Widerrufsrechts generell Wertersatz für die Nutzung der Ware verlangt werden kann, gegen die Fernabsatz-Richtlinie verstößt (EuGH, Urteil vom 3.9.2009 - Rs. C-489/07). Konkret heißt das, dass das Formular, welches der Deutsche Gesetzgeber für die Widerrufsbelehrung vorgibt, nicht ohne genaue Prüfung übernommen werden sollte. In seinem Leitsatz führt der EuGH aus: „Der Verbraucher kann verpflichtet werden, für die Benutzung der Ware Wertersatz zu leisten, wenn er diese auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts – wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung – unvereinbare Art und Weise benutzt hat und die Effektivität des Rechts auf Widerruf hierdurch nicht beeinträchtigt wird.“
Der EuGH führt in seiner Begründung an, dass der Verbraucher nicht dadurch von seinem Recht zum Widerruf abgehalten werden solle, dass die Ausübung dieses Rechts mit einer für ihn negativen Kostenfolge verbunden ist.
Er stützt seine Argumentation zudem darauf, dass das Widerrufsrecht den Verbraucher in der besonderen Situation eines Vertragsabschlusses im Fernabsatz schützen soll. In dieser Situation hat der Verbraucher nämlich nicht die Möglichkeit, vor Abschluss des Vertrags das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen. Das Widerrufsrecht soll also den Nachteil ausgleichen, der sich für einen Verbraucher bei einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag ergibt, indem ihm eine angemessene Bedenkzeit eingeräumt wird, in der er die Möglichkeit hat, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren.
Konsequenz
Im Ergebnis hat die Entscheidung des EuGH zur Folge, dass erneut große Unsicherheit beim Online-Handel besteht, wie die Widerrufsbelehrung formuliert werden muss und welche Recht der Verbraucher hat. Der EuGH erteilt nicht per se eine Absage an den Wertersatz. Die Begriffe „Grundsatz von Treu und Glauben“ und „ungerechtfertigte Bereicherung“ sind aber selbst auslegungsbedürftig. Es kann deshalb nur empfohlen werden, die Widerrufsbelehrung dringend auf Übereinstimmung mit der europäischen Rechtsprechung prüfen zu lassen.
DENN: Ein Verstoß gegen eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung hat nicht nur zur Folge, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt. Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung biete Angriffsfläche für Abmahnung durch Wettbewerber. Diese sind mitunter sehr kostspielig und definitiv vermeidbar.
Rechtsanwalt Markus Timm (Fachanwalt für IT-Recht)
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