PresseKat - Allgemeiner Gerichtsstand bei Heizöllieferung und Bestellung

Allgemeiner Gerichtsstand bei Heizöllieferung und Bestellung

ID: 191118

Nicht auf den Lieferort, auf den Wohnsitz des Bestellers kommt es an !

(firmenpresse) - Berlin - trem. Ein Umzug oder eine persönliche Veränderung kann für eine rechtliche Auseinandersetzung schwerwiegende Folgen haben, wenn sich ein Lieferant vor Beginn eines Rechtsstreits nicht über den Wohnsitz des Bestellers vergewissert. Auf diesen, nicht auf den Ort der Lieferung oder Bestellung kommt es an, wenn es nach der Lieferung zum Streit kommt. Berechtigt oder unberechtigt. Wie nachteilig es im Zweifel für den Lieferanten sein kann, diese Weisheit zu mißachten macht die von Trempel & Associates Berlin jüngst erstrittene Entscheidung deutlich, der folgender Sachverhalt zugrunde lag, der aufgrund der Anrufung des örtlich unzuständigen Gerichts gar nicht mehr zu entscheiden war.

Ein Ehepaar lebte lange Jahre in Berlin und verzog nach Niederdsachsen. Das auch noch über eine Einliegerwohnung verfügende Einfamilienhaus gehörte der Ehefrau. Diese bestellte anläßlich eines Besuchs für den Winter Heizöl. Nach kurzer Zeit war der Tank leer. Eine weitere Bestellung wurde aufgegeben. Nach der Lieferung tauchten Zweifel über die gelieferte Menge auf. Die Liefermenge konnte objektiv nicht stimmen. Der Lieferant bezog sich auf seine "Lieferscheine", die ab Tank Messungen enthielten. Nach der Reklamation der Menge - die Bereitschaft einen Teil der Lieferung zu zahlen war durchaus vorhanden - blieb es beim Streit. Der Heizöllieferant verklagte nunmehr beide Eheleute bei dem AG Neukölln, in dessen Amtsgerichtsbezirk das Hausobjekt liegt und die Lieferung erfolgte. Die Beklagte rügten sowohl die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Neukölln als auch die Passivlegitimation, denn der Ehemann war weder Besteller noch Miteigentümer. Nach dem Wegzug nach Niedersachsen sei allein das neue Wohnsitzamtsgerichts sachlich und örtlich zuständig. Der gesetzliche Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsortes gem. § 29 ZPO sei nicht einschlägig. Auch könne das Vertragsverhältnis nicht mit jenen Rechtsverhältnissen gleichgesetzt werden, die etwa im Bereich der Fernwärme oder Leitungsversorgung vorliegen. Der Lieferant und seine Rechtsvertretung beharrte auf seiner Rechtsansicht.





Das Amtsgericht Neukölln hat die Klage vollumfänglich abgewiesen. Die Gründe haben grundsätzliche Bedeutung:

Amtsgericht Neukölln
Im Namen des Volkes
Urteil
Geschäftsnummer: 9 C 113/09verkündet am:14. April 2010
Fa. XYZ
gegen
1.A
2.B
Beklagte, - Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Trempel & Associates,
Spichernstr. 15, 10777 Berlin,-
hat das Amtsgericht Neukölln, Zivilprozessabteilung 9,
im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 24. März 2010 durch den Richter am Amtsgericht F. für Recht erkannt:
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zzgl. 10 % hiervon abwenden, wenn nicht die Beklagten
vor
Tatbestand
Die Klägerin handelt mit verschiedenen Heizstoffen, u. a. Heizöl. Die Beklagten sind Eheleute und waren bis zum 20. Februar 2009 Eigentümer des Hausgrundstücks BA 82 in Berlin-Neukölln. Die Beklagten haben ab 1. November 2007 einen Mietvertrag über ein Einfamilienhaus in BW abgeschlossen. Ab 1. November 2007 sind Kosten für die Energieversorgung bezogen out das Einfamilienhaus BW in gegenüber den Beklagten abgerechnet worden.
Anfang November 2008 bestellte die Beklagte zu 1) für das Grundstück BA 82 in Berlin-Neukölln bei der Klägerin 500 Liter Heizöl. Am 3. November 2008 lieferte die Klägerin das Heizöl zum Grundstück BA 82. Mit dem Lieferschein (Fotokopie BI. 5 d. A.) überreichte die Klägerin der Beklagten zu 1) die Rechnung, ausgestellt auf beide Beklagten, über einen Kaufpreis von 441,03 €.
Die Beklagte zu 1) bestellte Anfang Dezember 2008 bei der Klägerin erneut 500 Liter Heizöl für das Grundstück BA 82. Am 5. Dezember 2008 lieferte die Klägerin 500 Liter Heizöl an die Beklagten und überreichte mit dem Lieferschein die Rechnung (Fotokopie BI. 6 d. A.), ausgestellt auf beide Beklagten, Ober einen Kaufpreis von 331,95 € brutto. Den Empfang quittierte die damals in der Einliegerwohnung des Hauses der Beklagten wohnende Mieterin. Die Parteien streiten über die Bezahlung des Kaufpreises.
Die Klägerin meint, auf den Wohnort der Beklagten komme es nicht an. Der Erfüllungsort für die Zahlungsverpflichtung der Beklagten ergebe sich aus § 29 ZPO.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an sie gesamtschuldnerisch 772,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten Ober dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2009 zzgl. Außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 101,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten rügen die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Neukölln. Sie behaupten, seit 2008 leben sie in BW.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 07.09.2009 Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird die Sitzungs-niederschrift vom 14. Dezember 2009 Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 20.01.2010 hat das Gericht auf Bedenken wegen der örtlichen Zuständigkeit hingewiesen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig. Das Amtsgericht Neukölln ist örtlich nicht zuständig.
Die Beklagten wohnen seit Anfang 2008 in BW. Gemäß § 13 ZPO wird der allgemeine Gerichtsstand durch den Wohnsitz bestimmt. Eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Neukölln ergibt sich auch aus keiner anderen gesetzlichen Regelung über den Gerichtsstand. Insbesondere nicht aus den § 29, 39 ZPO. Der Erfüllungsort ist für die jeweils in Streit stehende Verbindlichkeit gesondert zu bestimmen. Der Erfüllungsort für den vorliegenden Streit über Kaufpreiszahlungen nach Heizöllieferungen ergibt sich aus § 269 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 270 Abs. 4 BGB.
Er liegt am Wohnsitz der Beklagten zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses, hier in BW. Dass der Wohnsitz der Beklagten Anfang November 2008 in lag, hat die Klägerin nach den konkreten Darlegungen der Beklagten nicht konkreter behauptet und unter Beweis gestellt. Ein einfaches Bestreiten genügt nicht.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich der Erfüllungsort für die Kaufpreiszahlung auch nicht aus dem Ort der Heizölabnahme, etwa analog zum Erfüllungsort der Energieabnahme oder einem Wasserlieferungsvertrag. Der BGH hat zwar bei Vertragstypen, bei denen der Schwerpunkt des Vertrages wegen der besonderen Ortsbezogenheit der vertragstypischen Leistung in einem bestimmten Ort liegt, diesen als Erfüllungsort für die beiderseitigen Verpflichtungen. angesehen. Dies hat der BGH jedoch damit begründet, dass am Ort der Abnahme nicht nur das Versorgungsunternehmen seine Hauptleistungspflicht, sondern auch der Abnehmer wesentliche Nebenpflichten zu erfüllen hat.
Unabhängig davon, dass hier der Heizöllieferant nicht gleich zu setzen 1st mit einem Versorgungsunternehmen für Energie und Wasser, hat der Abnehmer von Heizöl zu seiner Versorgung keine gesonderte Verlegung von Leitungen zu dulden, die nach der Versorgung auf dem Grundstück verbleiben, er hat auch keine Hausanschlusskosten zu tragen, Beschädigungen an das Versorgungsunternehmen mitzuteilen oder Heizöllieferanten sonstigen Zutritt zum Grundstück, etwa zu Messeinrichtungen zu gestatten. Folglich fehlt das Merkmal der zahlreichen Pflichten beider Parteien, die typischer Weise am Ort der Abnahme zu erfüllen sind.
Dass der Heizöltank sich in geeignetem Zustand befindet, ist allein Sache des Abnehmers. Diesen Zustand herzustellen und zu erhalten obliegt ihm ständig Und steht nicht im Zusammenhang mit dem Vertrag über die Heizöllieferung. Die Tatsache, dass Beauftragte der Klägerin zwecks Anschluss der Versorgungsleitung das Grundstück des Abnehmers betreten, führt nicht zu einem gemeinsamen Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus dem Heizölliefervertrag. Denn auch bei anderen Lieferverträgen, wie z. Bsp. über. Baumaterial, Haushaltsgeräten und ähnlichem, wird üblicherweise dem Vertragspartner der Zutritt zum Grundstück bzw. der Wohnung gestattet, ohne dass sich hieraus ein Erfüllungsort für die Kaufpreiszahlung ergibt.
Das Amtsgericht Neukölln ist auch nicht gemäß § 39 ZPO aufgrund rügeloser Verhandlung zuständig geworden. Denn die Beklagten haben die Zuständigkeit rechtzeitig gerügt, verhandeln sie hiernach zur Hauptsache, tritt die Wirkung des § 39 ZPO nicht ein. Die Klägerin hat auch nach Hinweis des Gerichts bezogen auf die Bedenken der örtlichen Zuständigkeit keinen hilfsweisen Verweisungsantrag gestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11,711 ZPO."

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Datum: 20.04.2010 - 13:36 Uhr
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Freigabedatum: 20.04.2010

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