(firmenpresse) - Düsseldorf - In der Wirtschaft sei es üblich, dass der Finanzvorstand irgendwann an die Spitze des Unternehmens wechselt, schreibt die Financial Times Deutschland. Doch viele Business-Entscheidungen werden von der Informationstechnik getrieben. Deswegen wäre es eigentlich logisch, dass der sogenannte Chief Information Officer (CIO) irgendwann an die Unternehmensspitze wechselt, so das Blatt. Ob das ein Königsweg ist und welche Innovationsimpulse von der IT im Unternehmen ausgehen, gehörte zu den Fragen, die eine Expertenrunde in Düsseldorf diskutierte. Die Zeitschrift NeueNachricht http://www.ne-na.de berichtet in ihrer Sommerausgabe (Erscheinungstermin Ende Juni) über das Gespräch mit Dr. Johannes Bussmann, Partner und Geschäftsführer der Beratungsfirma Booz Allen Hamilton, Dr. Helmut Reisinger, Geschäftsführer des Stuttgarter IT-Dienstleisters Nextiraone, sowie Dr. Lothar Dietrich, Business Development Manager bei IBM, Co-Autor und Co-Herausgeber des neu erschienenen Buches "Innovationen durch IT - Erfolgsbeispiele aus der Praxis" (Springer Verlag, Berlin/Heidelberg 2006 http://www.springer.com).
Dietrich teilt die Ansicht, dass das Management eines Unternehmens oft eine ablehnende Haltung gegenüber den Entscheidungen der IT-Abteilung zeigen würde. Seiner Meinung nach wäre es sinnvoll, eine Unternehmensstrategie als Vorgabe zu nutzen, auf die die IT-Abteilung aufsetzen kann. "Grundsätzlich muss auch die Frage diskutiert werden: Was verstehen wir eigentlich unter IT? Das ist nicht mehr nur die Bit-und-Byte-Ecke, also Rechenzentrum und Programmierung", so Dietrich weiter. Helmut Reisinger hält es wichtig, dass sich die IT-Verantwortlichen in den Firmen viel stärker als Innovationsträger positionieren. Im Zuge des Internet-Hypes Ende der 90er Jahre wurden viele technikgetriebene Investitionen getätigt, die die Profitabilität nicht erreicht hätten. Deswegen würden Entscheidungen der IT-Abteilung vom Management heute doppelt geprüft. "Aber man hat inzwischen auch entdeckt, dass IT eine Plattform ist, die Möglichkeiten bietet, durch Prozessverbesserung wirklich Wettbewerbsvorteile zu generieren", so Reisinger weiter. Der CIO in einem Unternehmen sei nicht mehr nur ein Techniker, der alle Bits und Bytes kennt. Vielmehr fungiere er heute als Vermittler im Unternehmen. "Er muss moderieren können zwischen den Fachabteilungen, dem Management, damit er idealer Weise die Unternehmensstrategie auf die IT-Infrastruktur und die Anwendungen abbilden kann", umschreibt er das neue Anforderungsprofil.
"In der verarbeitenden Industrie kommt der IT eher eine Service-Rolle zu, da heisst es ‚IT-Strategy follows the Corporate-Strategy’. Das gilt aber für die Service-Industrie weniger, denn dort muss die IT sehr deutliche Impulse ins Business geben, da das Produkt dort stark durch IT geprägt ist", erklärt IBM-Manager Dietrich. "Deshalb hat auch der IT-Manager hier die Aufgabe, die IT dahingehend zu prüfen, inwieweit damit auch Geschäftsmodelle, nicht nur Prozesse verändert und verbessert werden können." Die Struktur müsse so hergestellt werden, dass ein Unternehmen mit seiner IT flexibel genug aufgestellt sei, um Innovationsführer im Bereich seiner Industrie werden zu können. Es gelinge aber nicht vielen Unternehmen, von der Unternehmensstrategie die Prozessstrategie und daraus irgendwann eine IT-Strategie abzuleiten, so Dietrich weiter. Ein entscheidender Faktor sei hier der Unterschied zwischen Investitions- und Kostensenkungsseite. Es werde allerdings immer noch zu stark den Sirenengesängen der Globalisierung hinterhergelaufen. Man betrachte die IT zu einseitig als Hebel für Kostensenkungen und weniger als Innovationstreiber für neue Geschäftsmodelle: "Wir müssen uns viel stärker mit dem innovativen Ansatz beschäftigen", fordert Dietrich. Es gehe ihm dabei nicht um Commodity-Themen. Denn auf diesem Gebiet seien Länder wie China oder Indien die kostengünstigeren Produktionsstandorte. Voraussetzung für Innovationen sei es, das Know How aus den Köpfen der einzelnen Mitarbeiter zu bündeln sowie darüber hinaus Knowledge-Management-Systeme zu installieren, um die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Abteilungen im Unternehmen zu verbessern und daraus innovative Ideen entwickeln zu können. "Bisher ist es oft so, dass jeder Fachbereich nur seine eigene Scheibe sieht. Die Abteilungen interessiert oft herzlich wenig, was links und rechts geschieht. Da kommt wieder der CIO ins Spiel, der sogenannte Work Flows, also Arbeitsprozesse, die durchs gesamte Unternehmen gehen, koordiniert", so Dietrich weiter. Wenn der CIO gemeinsam mit den Fachbereichen durchgängige Prozesse bauen würde, hätte ein Unternehmen automatisch weniger Software-Pakete im Einsatz, hätte mehr Durchgängigkeit, weniger Schnittstellenprobleme sowie eine bessere Verständlichkeit untereinander.
Doch wo hat IT ein wirklich neues Geschäftsmodell geschaffen, und nicht nur einfach irgend etwas digitalisiert wie etwa beim Online-Banking? Unternehmensberater Johannes Bussmann verweist hier besonders auf das Thema IP-Telefonie: "In dem Bereich haben wir einen völlig neuen Service, wenn es um Geschäftsmodelle geht. Zum Beispiel hat ein Kabelbetreiber früher lediglich ein reines Fernsehsignal in die Haushalte geliefert. Inzwischen ist es aber möglich, durch einen Rückkanal den Zuschauer oder Zuhörer aktiv in die Sendungen zu integrieren. Das ganze Zusammenwachsen von Fernsehen, Radio, Telefonie und Computer macht es möglich, den Haushalten völlig neue Services anzubieten." Dietrich dagegen sieht "nicht die grosse bahnbrechende Entwicklung. Das waren zuletzt Internet und Mobiltelefonie, die auch viel gekostet haben." Innovation reiche noch nicht, wenn sie erst einmal gedacht wurde. Die wirtschaftliche Nutzbarmachung und dem Kunden den Nutzen zu beweisen seien entscheidende Punkte, um daraus ein Geschäftsmodell zu machen, was auch im täglichen Geschäft funktioniere. Die entscheidenden Ideen müssten nach Ansicht von Bussmann aus den Unternehmen selber kommen und seien nicht beim Kunden zu finden: "Innovation kriegen wir nicht dadurch, dass wir den Kunden fragen. Wer glaubt, vom Kunden innovative Ideen zu bekommen, setzt den Hebel falsch an".
Der Kunde würde zwar irgendwann gebraucht, um Akzeptanz für ein Produkt zu finden. "Der Impuls kommt nicht vom Kunden. Aber wir können versuchen, bei ihm heutige Prozesse, Produkte und Services zu identifizieren", so Bussmann weiter. Ein typisches Produkt sei beispielsweise der MP3-Player. "Der Verbraucher will viel Musik in einem möglichst kleinen Gerät haben. Gesucht ist nun eine technologische Idee, Speicherplätze so zu komprimieren, sie klein zu machen, dass es möglich ist, digital Audio und Video zu produzieren." Die Basisinnovationen kämen eher von Aussenseitern, Quertreibern oder seien Zufallsprodukte. iPod von Apple, VoIP von Skype, weitere Beispiele seien Amazon, eBay oder Google. "Wir brauchen deshalb weniger Barrieren, weniger Restriktionen, weniger Steuerung", fordert Bussmann. Die Ideen müssten bei wenigen generiert werden. Dafür müsse eine Kultur vorhanden sein, dass die Leute, die Ideen haben und mit den Ideen auch vorankommen. "Wir sollten uns generell von der Planungshybris verabschieden. Mit mechanistischen Dogmen kommt man in der Geschäftswelt nicht weit. Die Voraussagbarkeit der Zukunft nimmt ab und unübersichtliche Ereignisse nehmen zu. Innovationen, neue Produkte, Märkte oder Trends lassen sich nur schwer prognostizieren und die Bedürfnisse der Verbraucher von heute sind kein aussagekräftiger Indikator für die Produkte von morgen. Wir brauchen Menschen, die Erwartungen durchbrechen und etwas tun, womit zuvor niemand gerechnet hat", ergänzt Reisinger. Ein Innovator sei derjenige, der sieht, dass man in turbulenten Situationen mit einem stoischen Verhalten in Probleme gerät.
"Viele Unternehmen warten bei ihren bisherigen Produkten auf den Return of Investment. Gehen sie mit dem innovativen neuen Produkt zu früh an den Markt, zerstören sie das eigene erfolgreiche Produkt. Gehen sie zu spät hinein, versäumen sie den Anschluss", beschreibt Dietrich den schmalen Grat beim Innovationsmanagement. Firmen würden zwar immer wieder neue Varianten erfolgreicher Produkte bringen, jedoch stiegen dadurch nur die Fixkosten und das produktive Endergebnis unterm Strich fiele immer kleiner aus. "Deshalb sage ich: Richtig helfen würde eigentlich nur eine völlig neue Investition, ein völlig neues Produkt - keine Variante", so Dietrich. Dies sei jedoch auch darauf zurückzuführen, dass Produktlebenszyklen nicht mehr wie früher funktionieren, ergänzt Bussmann. Für bestimmte Produkte würden die Märkte immer kleiner. "Die Kernfrage ist deshalb: Wie kann ich möglichst schnell erkennen, ob eine Idee, eine Erfindung einen Nutzen hat? Und zwar ist hier der Nutzen unternehmerisch zu sehen, der Nutzen auf der Markt- sowie auf der Kundenseite." Reisinger ergänzt, dass IT beim Stichwort Produktlebenszyklus schon eine zentrale Rolle gespielt habe: "Durch die Globalisierung des Marktes oder die Vernetzung der verschiedenen Marktteilnehmer hat sich der Charakter eines Produktlebenszyklus verändert. Da ist IT ein zentraler Player."