(ots) - Die EU-Kommission fährt schweres Geschütz auf.
Brüssel will, nach Schuldenkrise und Euro-Rettungsschirm, die
Haushaltsdisziplin in Euroland erhöhen. Künftig sollen, sowohl im
präventiven wie im korrektiven Teil des Stabilitätspakts, Sanktionen
über finanzielle Auflagen bei Verstößen gegen die Haushaltsdisziplin
greifen. Neu ist auch die Einbindung der Staatsverschuldung. Wenn ein
Land wie Griechenland oder Italien nicht vorwärts kommt mit dem Abbau
seiner Verbindlichkeiten, droht die Eröffnung eines Strafverfahrens.
Und damit nicht genug. Um makroökonomische Ungleichgewichte und
strukturelle Mängel, etwa auf den Arbeits- und
Dienstleistungsmärkten, zu beseitigen, wird der Pakt - rechts und
links - mit neuen Prozeduren flankiert, die über eine enge
Verflechtung und zeitliche Synchronisierung aller drei Säulen in der
Ãœberwachung - Budgetpolitik, Wirtschaftspolitik, Reformpolitik - am
Ende sanktionsbewehrt sind. Kurz: Die Kommission will das Ãœbel an der
Wurzel packen, wonach die desolate Finanzsituation in vielen
Euro-Ländern, vor allem an der südlichen Peripherie, Spiegel eines
jahrelangen Wettbewerbsverlusts dieser Staaten ist - und vollzieht
nach der Flexibilisierung des Stabilitätspakts vor fünf Jahren damit
eine regelrechte Kehrtwende.
Dennoch ist das Euro-Stabilisierungspaket nicht straff genug
geschnürt. Wann etwa besteht in einem Land ein Ungleichgewicht?
Brüssel will dies auf Basis von Leitindikatoren wie den Häuserpreisen
bestimmen. Nur wann schlägt der Immobilienmehrwert zur gefährlichen
Blase um? Oder das geplante Sanktionsarsenal: Die Regierungen müssen
dieser Verschärfung erst zustimmen. Frankreich aber dürfte eine
Suspendierung oder Streichung der milliardenschweren EU-Agrargelder
kaum akzeptieren, nur weil die Pariser Haushaltspolitik nicht mit den
Brüsseler Vorstellungen zusammenpasst.
Das größte Manko aber ist: Auch künftig werden die "finanziellen
Anreize" für mehr Haushaltsdisziplin und eine engere
wirtschaftspolitische Koordinierung nicht automatisch greifen. Es
wird vor jeder Sanktion eine politische Debatte geben. Ohne den
Automatismus - oder zumindest eine drastische Anhebung der Schwelle,
um seitens der Regierungen Brüsseler Empfehlungen abbiegen zu können
- werden die Aufräumarbeiten der Kommission zur Schuldenmisere jedoch
ein Papiertiger bleiben.
(Börsen-Zeitung, 1.7.2010)
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