(ots) - Angela Merkels einstiges Wunschbündnis von Union und
FDP lässt nichts mehr aus, um sich selbst zu schaden. Bei allem
Respekt vor der Gewissensfreiheit der Wählenden und vor der
Persönlichkeit Joachim Gauck: Die von Union und FDP ziemlich
versemmelte Präsidentenwahl zeugt schon von der Lust am Untergang.
Bezeichnend, dass wohl niemand Wetten eingehen würde, wo tatsächlich
die 44 Stimmen anzusiedeln sind, die Christian Wulff aus den Reihen
von CDU, CSU und FDP im ersten Anlauf fehlten. In jedem der Lager
gibt es etliche Vergrätzte und Verletzte, die in Frage kommen. Klar
ist auch, dass sich die Verweigerung nicht zuerst gegen Wulff
richtete, auch nicht gegen die nicht Tritt fassende Koalition
insgesamt, sondern zuallererst gegen Merkel. Geschwächt schon bei der
Nominierung des Koalitionskandidaten, als ihre Partei Wulff statt der
Merkel-Favoritin Ursula von der Leyen durchsetzte, ist sie nun
dauerhaft beschädigt. Die CDU-Chefin tut gut daran, die fehlenden
Stimmen nicht nur in den Reihen von CSU und FDP zu suchen. Auch durch
christdemokratische Landesverbände von Nordrhein-Westfalen über
Hessen bis nach Baden-Württemberg zieht sich wachsende Distanz zur
Ost-Frau, die einst im Schatten Helmut Kohls gedieh und es in
Rekordzeit im April 2000 zur Parteivorsitzenden schaffte. Methode und
Stil, wie sie seither Partei und Regierung nach ihrem Bilde ordnet,
haben zum Desaster beigetragen. Auch wenn es am Ende noch zur
mühsamen Mehrheit reichte: Angela Merkel ist angezählt. Ihre Aufgabe,
die Koalition wieder in ruhigeres Fahrwasser zu führen, wird nun noch
schwerer. Nicht zum ersten Mal könnte eine Bundespräsidentenwahl zum
Vorboten eines politischen Machtwechsels im Bund werden. Natürlich
liegt nun auch auf Wulffs Einzug ins Schloss Bellevue ein Schatten.
Doch zum einen ist es keine Schande, in einer demokratischen Wahl
gegen so honorige Gegenkandidaten wie Gauck drei Wahlgänge zu
brauchen. Zum anderen hat Wulff nun genug Gelegenheit, seine
Brückenbauer-Qualitäten zu zeigen. Nie hat er als Regierungschef in
Hannover wie seine Parteifreunde Roland Koch in Wiesbaden oder Jürgen
Rüttgers in Düsseldorf Keile in die Gesellschaft getrieben. Vor allem
an der sich auftuenden Trennlinie zwischen Alt und Jung, zwischen
privilegierten Errungenschaftsbewahrern und denen, die um gesicherte
Arbeit und ihren Platz in der Gesellschaft kämpfen, könnte der
jüngste aller Präsidenten zum Vermittler werden.
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