(firmenpresse) - Von Ansgar Lange
Bonn/Neuss/Potsdam – Auch an ungewöhnlichen Orten der Literatur wurde schon das vermeintliche „Kundenparadies“ beschrieben. Ein Textbeispiel findet sich in Jörg Fausers Kriminalroman „Der Schneemann“, der 1981 erschien und drei Jahre später mit Marius Müller-Westernhagen verfilmt wurde. Fauser beschreibt ein Café: „Das Café war früher eine simple Eckkneipe gewesen, und die niedrige Decke war schwarz vom Rauch. Man saß auf unbequemen Kaffeehausstühlen an winzigen Marmortischchen, umstellt von Palmwedeln, Gipsfiguren und Gummibäumen, ließ sich von Kellnern brüskieren, die alle über Kommunikationsästhetik promoviert hatten und aussahen wie Florettfechter oder Ballettänzer, und bezahlte für seinen ‚Salade Nicoise’ oder seinen ‚Café Orange’ doppelt soviel wie anderswo, denn als zusätzliche Attraktion gab es auch noch ‚Kunst’. Die Kunst spielte sich auf einem Podium im krätzigen Licht von Neonröhren ab und wurde von vorwiegend dicklichen Damen dargeboten, die mit Fuhrknechtstimme lasziv gemeinte Albernheiten vortrugen.“ Kein Wunder, dass der Held des Romans wehmütig an Barcelona oder Tanger dachte.
Selbstverständlich liest man Fausers Krimi nicht primär, um etwas über die „Kundenparadiese“ der 70er und 80er Jahre zu erfahren. Man genießt einen spannenden Krimi mit literarischem Anspruch. Doch an dieser Szene sieht man sehr deutlich, dass ein hoher Preis für eine Dienstleistung seine Rechtfertigung in schönerem Design, besserer Qualität oder gefälligerem Service finden muss. Das ist hier augenscheinlich nicht der Fall. Nachdem Geiz eine Zeit lang als geil galt, hat sich dies mittlerweile zumindest in der öffentlichen Darstellung stark gewandelt. Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie (IfD) Allensbach http://www.ifd-allensbach.de, schreibt in der aktuellen Ausgabe der Wirtschaftswoche http://www.wiwo.de über Konsumverhalten, Einkaufswelten und Unternehmensziele.
65 Prozent der Bevölkerung missfällt der Slogan „Geiz ist geil“, so Köcher. Nur eine Minderheit finde ihn sympathisch. Trotzdem hätten sich diese drei Worte nicht ohne Grund fest im Sprachgebrauch verankert und prägten das Einkaufsverhalten: „Bei stagnierenden Realeinkommen und erheblich gestiegenen Ausgaben für Energie, Kraftstoff, kommunale Abgaben, Risiko- und Altersvorsorge über sich viele bei den Ausgaben, die sie beeinflussen können, im Maßhalten. Das hat mit Geiz wenig zu tun, sondern ist Ausdruck von Vernunft und Vorsicht.“ 77 Prozent der Bevölkerung kauften ihre Lebensmittel bei Discountern, 67 Prozent in Fachgeschäften und 63 Prozent auch bei anderen Supermarktketten, die nicht an dem Discountprinzip ausgerichtet seien: „Damit kann die große Mehrzahl vergleichen und zieht aus dem Vergleich die Bilanz, dass sich das Angebot zwar quantitativ erheblich unterscheidet, aber nicht qualitativ.“
Laut Köcher habe die Bevölkerung auch Medienberichte über Testergebnisse und über Hersteller, die parallel den Markenhandel und Discounter beliefern, aufmerksam registriert. Die Allensbach-Chefin sieht den traditionellen Markenhandel in der Pflicht, da er es bisher nur unzureichend vermocht habe, eine Einkaufswelt zu kreieren, die einen für die Konsumenten signifikanten Mehrwert generiert – „in Form von besonders attraktiven Einkaufsstätten, besonders gut geschultem Personal, einem überdurchschnittlich attraktiven Produktsortiment und Kundenservice“. Der Dienstleistungsexperte Michael Müller, Geschäftsführer der a&o-Gruppe http://www.aogroup.de mit Firmensitzen in Neuss und Potsdam und Wirtschaftssenator im Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) http://www.bvmwonline.de, bestätigt die Analyse von Köcher: „Zurzeit sendet der deutsche Einzelhandel erfreuliche Signale. Wegen der neuen Öffnungszeiten könnte das Konsumentenverhalten positiv beeinflusst werden. Die Folge wäre dann ein starkes Weihnachtsgeschäft. Doch Weihnachten ist nur ein Mal im Jahr, und der Reiz des längeren Einkauferlebnisses wird sich irgendwann auch abnutzen. Daher ist die Analyse richtig, dass der Markenhandel in puncto Service, Personal, Design, Innovationen und Trends einfach stärker sein muss als die billigere Konkurrenz, die den Kunden nur über den niedrigeren Preis ansprechen will. Man sollte die Konsumenten also nicht als knauserig beschimpfen, sondern registrieren, dass sie für mehr Geld auch einen Mehrwert haben wollen. Und das mit Recht.“