(ots) - Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider und der
Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert
Zollitsch, haben in einem gemeinsamen Wort an die Wiederherstellung
der Deutschen Einheit vor 20 Jahren am 3. Oktober 1990 erinnert.
Darin heißt es, auch zwanzig Jahre nach dem Ereignis sei es "schier
unglaublich", dass die "Teilung unseres Landes, die ein
unverrückbares politisches Faktum zu sein schien" überwunden wurde.
Dies sei "eine Wendung der Dinge, für die wir Gott nicht genug danken
können" und gleichzeitig "eine Mahnung, dass wir uns auch sonst nicht
kleingläubig in den so genannten Realitäten dieser Welt einrichten
und mit ihnen abfinden sollen". Der 20. Jahrestag der
Wiederherstellung der deutschen Einheit sei ein guter Anlass, um
innezuhalten und das Erreichte zu bedenken. Die deutsche Einheit sei
bis heute eine große Tat der Solidarität. Über den
Solidaritätszuschlag sei jeder Steuerpflichtige nach dem Maße seiner
finanziellen Leistungsfähigkeit daran beteiligt, den Aufbau Ost
voranzu¬bringen: "Das ist ein Beitrag, der niemanden überfordert."
Auch der "enorme Solidaritätsbeitrag der Sozialkassen" dürfe nicht
vergessen werden. Die Einbeziehung der ostdeutschen Bevölkerung in
die Rentenversicherung, die Krankenversicherung und die
Arbeitslosenversicherung habe wesentlich dazu beigetragen, dass in
allen tiefgreifenden Veränderungen die soziale Absicherung gesichert
war und auch zukünftig gesichert sei. Deshalb könnten die Deutschen
stolz darauf sein, was in den vergangenen zwanzig Jahren gemeinsam an
Aufbauleistung in den neuen Ländern erreicht worden ist. Allerdings
hätten sich noch nicht alle Erwartungen erfüllt. Das Zusammenwachsen
der Deutschen - gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich, aber
auch kulturell - bleibe eine Aufgabe, die noch weit in die Zukunft
hineinreiche. Die beiden großen christlichen Kirchen seien bereit,
ihren Beitrag "zu einer guten und gerechten Entwicklung unserer
Gesellschaft und unseres Staates" zu leisten. Besonders froh seien
die beiden Kirchen, dass die Wiederherstellung der staatlichen
Einheit Deutschlands nicht nur als Antwort auf die deutsche Frage zu
betrachten, sondern sie als Bestandteil einer gesamteuropäischen
Einigung zu begreifen sei. Auch und gerade deshalb sei der 20.
Jahrestag des Tags der deutschen Einheit für die Kirchen ein Tag der
Freude.
Hannover, den 1. Oktober 2010
Reinhard Mawick
Pressestelle der EKD
Diese Pressemitteilung wurde gleichlautend auch von der
Pressestelle der Deutschen Bischofskonferenz verbreitet.
Wenn das Unmögliche möglich wird
Ein Wort
des amtierenden Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in
Deutschland,Präses Nikolaus Schneider, und des Vorsitzenden der
Deutschen Bischofskonferenz,Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, zum 20.
Jahrestag der Wiederherstellung der deutschen Einheit
Auch zwanzig Jahre danach ist es schier unglaublich, was sich
zwischen dem Herbst 1989 und dem 3. Oktober 1990 in Deutschland
zugetragen hat. Die jahrzehntelange, durch den Zweiten Weltkrieg
verursachte und später im Kalten Krieg verfestigte Teilung unseres
Landes, die ein unverrückbares politisches Faktum zu sein schien,
wurde überwunden. An die Stelle der Willkürherrschaft der SED, ihrer
Missachtung der Freiheitsrechte und ihres repressiven Vor-gehens
gegen politisch Unliebsame traten auch auf dem Gebiet der einstigen
DDR rechtsstaatliche Verhältnisse. Was viele unter uns, die Zeugen
dieser EntwÃcklung wurden, noch ein Jahr zuvor für Phantasterei, ja
für schlichtweg unmöglich gehalten hatten, trat ein. Eine Wendung der
Dinge, für die wir Gott nicht genug danken können. Und eine Mahnung,
dass wir uns auch sonst nicht kleingläubig in den so genannten
Realitäten dieser Welt einrichten und mit ihnen abfinden sollen. Was
nicht ist, das kann werden, sagt das Sprichwort. "Denn für Gott ist
nichts unmöglich", heißt es in der Bibel (Lk 1,37). Nur wer daran
glaubt, hat die Fähigkeit, die Chancen zur Veränderung der Realitäten
zu er¬kennen und zu ergreifen. Joachim Gauck, in der DDR
Bürgerrechtler der ersten Stunde, wird dieser Tage mit dem Satz
zitiert: "Wir hatten uns zu sehr an die Realitäten gewöhnt."
Der 20. Jahrestag der Wiederherstellung der deutschen Einheit
bietet die Gelegenheit, innezuhalten und eine Bilanz des
Zusammenwachsens von West und Ost zu ziehen. Das Wachsen der
deutschen Einheit ist vor allem eine große Tat der Solidarität. Über
den Solidaritätszuschlag ist jeder Steuerpflichtige nach dem Maße
seiner finanziellen Leistungsfähigkeit daran beteiligt, den Aufbau
Ost voranzu¬bringen. Das ist ein Beitrag, der niemanden überfordert.
Nicht vergessen werden darf der enorme Solidaritätsbeitrag der
Sozialkassen: Die Einbeziehung der ostdeutschen Bevölkerung in die
Rentenversicherung, die Krankenversicherung und die
Arbeitslosenversicherung hat wesentlich dazu beigetragen, dass in
allen tiefgreifenden Veränderungen die soziale Absicherung
gewährleistet war und blieb. Die Deutschen können stolz darauf sein,
was sie in den vergangenen zwanzig Jahren gemeinsam an Aufbauleistung
in den neuen Ländern erreicht haben. Wir müssen jedoch auch zugeben,
dass sich nicht alle Hoffnungen und Erwartungen erfüllt haben. In
vielen Bereichen sind die Entwicklungen noch nicht so weit
fortgeschritten, wie es wünschenswert wäre. Insofern bleibt das
Zusammenwachsen der Deutschen - gesellschaftlich, politisch,
wirtschaftlich, aber auch kulturell - eine Aufgabe, die noch weit in
die Zukunft hineinreicht. Aber wir sind angesichts der Fortschritte
und Erfolge der vergangenen Jahre vom Gelingen dieses Prozesses
überzeugt.
Die gesellschaftlichen Entwicklungen, die sich seit dem Herbst
1989 vollzogen haben, haben auch vor den Kirchen in Deutschland nicht
Halt gemacht. Nach wie vor gehören knapp zwei Drittel aller Deutschen
den beiden großen christlichen Kirchen an. Aber der vor allem
demographisch bedingte Rückgang der Kirchenmitgliederzahl und die
gesellschaftliche Pluralisierung sind in den vergangenen Jahren
weiter vorangeschritten. Die Kirchen sind auch in Zukunft willens,
ihren Beitrag zu einer guten und gerechten Entwicklung unserer
Gesellschaft und unseres Staates zu leisten. In ihrem Gemeinsamen
Wort "Demokratie braucht Tugenden" haben sie das von Werten
geleitete Engagement der Bürgerinnen und Bürger als entscheidend für
die Zukunftsfähigkeit unseres Landes bezeichnet. Der Gottesbezug der
Verfassung mahnt die Gläubigen aller Religionen zum Respekt gegenüber
der unveräußerlichen Würde des Menschen.
Besonders froh sind wir darüber, dass es gelungen ist, die
Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands nicht nur als
Antwort auf die deutsche Frage zu betrachten, sondern sie als
Bestandteil einer gesamteuropäischen Einigung zu begreifen. Die
Einbindung des wiedervereinigten Deutschlands in eine vertiefte und
erweiterte Europäische Union ist vielleicht das größte politische
Verdienst im Zusammenhang mit der deutschen Einheit. Die Ãœberwindung
des Kommunismus und des Kalten Krieges in ganz Europa hat dazu
geführt, dass wir heute mit allen Nachbarn - in Ost und West - nicht
nur in guter Nachbarschaft, sondern in Freundschaft leben und in
Europa gemeinsam für eine friedliche Entwicklung unseres Kontinents
arbeiten. Auch und gerade deshalb ist der 20. Jahrestag des Tags der
deutschen Einheit für uns ein Tag der Freude.
Erzbischof Robert ZollitschPräses Nikolaus Schneider
Vorsitzender derAmtierender Vorsitzender des Rates
Deutschen Bischofskonferenzder Evangelischen Kirche Deutschland
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