Symbolpolitik in der Ökodebatte ohne positive Effekte für den Umweltschutz
(firmenpresse) -
Von Gunnar Sohn
Hamburg/Stuttgart/Neuss, www.ne-na.de - Wer das Treiben der politischen Klasse in diesen Tagen verfolgt, muss zu dem Schluss kommen, dass sich gesetzgebenden Körperschaften in Deutschland zu einem einzigen gemeinsamen Ziel verschworen haben: Das Leben soll ungemütlicher werden. Zu dieser Auffassung gelangt der Zeit-Redakteur Jens Jessen in dem Artikel „Der Terror der Tugend“ http://www.zeit.de/2007/13/Verbotsmanie: „Alkohol und Tabak, Hunde und schnelle Autos, Flugreisen und Computerspiele, Fernsehen und Fast Food – alles, was Spaß, ein wenig Wärme und Abwechslung und Komfort verspricht, das Selbstbewusstsein stärkt oder Fluchten aus dem Alltag organisiert, die preiswerten Vergnügungen des kleinen Mannes zumal, soll eingeschränkt, reglementiert, verteuert, wenn nicht gar verunmöglicht werden. Die offiziellen Erklärungen der verbietenden Elite nennen zwar den Klimawandel, die Volksgesundheit, die gefühlte oder tatsächliche Bedrohungslage auf unseren Straßen, sie können bissige Hunde und prügelnde Computerkids anführen. Den Zeitpunkt aber und die Auswahl begründen können sie nicht. Alkohol und Tabak sind in ihrer Schädlichkeit seit Jahrhunderten bekannt, die Abgase von Autos und Flugzeugen seit Jahrzehnten berechnet, aber niemals zureichend besteuert worden; warum also jetzt? Über den Einfluss verderblicher Medien wird seit Erfindung des Buchdrucks gestritten; zum Schutz vor Verführung hat die Kirche seinerzeit den Index Romanus eingeführt und wegen Vergeblichkeit wieder abgeschafft“, so Jessen. Das Einzige, womit Politiker noch Handlungsfähigkeit simulieren, seien Gesetze volkspädagogischen Zuschnitts: Die Gefahr sei gering, mit ihnen das scheue Kapital zu vertreiben, und die Chance groß, wenigstens die Mittelschicht zu überzeugen, es geschähe etwas. „Es ist, als ob sich die europäische Wut auf die Chinesen oder Amerikaner, die man zur ökologischen Umkehr nicht bereden kann, nun gegen den Europäer selbst richtet – wie in jenem obskuren seelischen Prozess, der Opfer dazu bringt, sich selbst zu verstümmeln, wenn sie des Täters nicht habhaft werden können. In diese Richtung deutet auch die oft bloß symbolische Qualität des Umweltschutzes – wie im Falle der Mülltrennung durch den Bürger, die in Wahrheit besser fabrikmäßig geschähe“, moniert Jesse.
Die Rechtfertigung erfolge meist mit der Begründung: Jeder müsse mit dem Umweltschutz vor der eigenen Haustür anfangen. Die offenbare Nutzlosigkeit solcher bloß individueller Anstrengungen gehe einher mit einer verschärft missbilligenden Beobachtung des Nachbarn. „Der Keusche missbilligt den Nachbarn beim Sex, der Magersüchtige schon den Anblick praller Einkaufstüten, der Holzsandalenträger die chromgegerbten Pumps der eleganten Dame. Wie denn überhaupt die Freudlosigkeit und neiderfüllte Hässlichkeit, die mit den allerersten alternativen Eiferern in die ökologische Bewegung trat, viel zu ihrem mönchischen Realitätsverlust beigetragen hat“, schreibt Jessen. Willkürliche Symbolpolitik macht der Energieexperte Tobias Janßen an der Forderung der baden-württembergischen Umweltministerin Tanja Gönner nach einer Klimaschutzabgabe auf Flugtickets fest. „Hier wird ohne Sinn und Verstand ein weiteres fiskalisches Folterinstrument entwickelt, ohne ökologische Effekte zu erzielen. Als Begründung wird den Flugpassagieren dann noch ein schlechtes Gewissen eingeredet und werden Gutmenschenargumente wie die Förderung des Klimaschutzes in der Dritten Welt nachgeschoben. Das erinnert fatal an die Einführung der Ökosteuern durch die rot-grüne Koalition von Gerhard Schröder. So sollte der Faktor Arbeit entlastet und der Faktor Umwelt belastet werden. Trotz massiv steigender Ökosteuern sind die Lohnzusatzkosten allerdings nicht gesunken und positive Umwelteffekte blieben aus. Das Ganze war ein Taschenspielertrick, um das Wahlvolk ruhig zu stellen. Ähnliches spielt sich auch heute wieder ab“, kritisiert Janßen, Vorstandschef der Beratungs- und Beteiligungsgesellschaft Goldfish Holdings http://www.goldfish-holdings.com in Neuss. Politiker wie Gönner könnten wichtiges und unwichtiges in der Umweltpolitik nicht mehr unterscheiden. „Statt uns mit dümmlichen Spiegelfechtereien zu belästigen, sollten diese Leute eine in sich konsistente Abfall- und Energiepolitik entwickeln“, fordert Janßen. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt Klaus Wiemer, Professor für Abfallwirtschaft an der Universität Kassel und Leiter des Witzenhausen-Instituts http://www.abfallforum.de: „Den Politikern fehlt ganzheitliches Denken“.
Ob beispielsweise der Müll vor oder nach der Abfuhr getrennt werde, sollte allein danach entschieden werden, welcher Weg zum besseren und günstigeren Ergebnis führt. Schon vor zwei Jahren hätten Versuche in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gezeigt, dass das Erfüllen der Recyclingquoten der Verpackungsverordnung auch ohne getrenntes Einsammeln von gelben Säcken möglich und am Ende sogar etwas billiger sei. Und die Frage, ob die organischen Materialien und minderwertigen Kunststoffe im Abfall überhaupt getrennt und wiederverwertet oder nicht besser zusammen mit dem Restmüll zur Strom- und Wärmeerzeugung verbrannt werden sollten, sei kein Anlass mehr für fundamentale Streiterei. „Eine Tonne Hausmüll hat denselben Brennwert wie 200 Liter Öl“, sagt Wiemer. „Wenn sich der Preis fossiler Energien verdreifacht, wird sich die Abfallwirtschaft selbst finanzieren. Müllgebühren können dann abgeschafft werden“. Je besser die Maschinen Sekundärrohstoffe aussortieren, umso unsinniger werde die gegenwärtige Praxis, zu Hause den Abfall von Hand auf diverse Mülltüten und Eimer zu verteilen. „Das Duale System hat sich so entwickelt, dass es das Umweltbewusstsein der Bürger lächerlich macht“, sagt die Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl. Es verhindere ökologische Innovationen. „Ihr Parteifreund und Ex-Umweltminister Jürgen Trittin hatte im Müllsammeln und -trennen einen wichtigen Beitrag zur ökologischen Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung gesehen. Aber auch die derzeitige Bundesregierung will nicht am Dualen System rütteln. Die ausgediente Plastikschüssel soll weiterhin im Restmüll, ihre Plastikverpackung aber im gelben Sack landen“, berichtet die Zeit. Daran werde auch die Novellierung der Verpackungsverordnung nichts ändern, um deren Details Umwelt-, Wirtschaftsminister und Dutzende Lobbygruppen derzeit streiten. „Sie zielt nicht auf die Abschaffung unlogischer Regeln, sondern auf deren strengere Einhaltung“. Umweltministerin Gönner zählt auch hier wieder zur Speerspitze beim vermeintlich ökologischen Engagement.