(ots) - Norbert Röttgens Kür zum CDU-Chef in NRW ist keine
große Überraschung. Zwar hatten Konservative den Nachwuchspolitiker
keineswegs auf Sieg gesetzt, doch auf die kommt es in der Union
ohnehin nicht mehr an. Medienberater und Marketing-Experten waren
sich allerdings einigermaßen sicher, dass Herr Röttgen eine echte
Chance hat.
Sie haben Recht behalten, denn für dessen Erfolg gibt es ein
Vorbild: Karl-Theodor zu Guttenberg, den Himmelsstürmer aller
Meinungsumfragen. Der Verteidigungsminister mit dem coolen Kampfnamen
"KT" hat erst am Wochenende die CSU in Verzückung versetzt und dann,
gewissermaßen durch einen Gnadenakt, seinen Vorsitzenden Seehofer
zunächst von der Ablösung verschont. Guttenberg ist der Darling
vieler Menschen, die gern in einer bunten Bilder-Welt leben und denen
es reicht, wenn Politiker gefallen - überzeugen müssen sie nicht
wirklich.
Norbert Röttgen hat mit großem Erfolg von "KT" gelernt. Röttgens
Inszenierung in den Medien war eine nationale Kampagne. TV, Radio,
Bild; sie dienten als Wahlhelfer erster Klasse. Röttgen ging auf
Konterkurs zur Kanzlerin, ließ keinen Streit und keinen roten Teppich
aus, um sich als rheinische Variante des furiosen Freiherren zu
präsentieren. Seine Selbstdarstellungskunst gipfelte in der
Duftmarke: "der George Clooney vom Rhein". Aber wofür steht er
politisch? Man weiß es noch nicht.
Smart sein reicht für die Landespolitik nicht aus. Norbert Röttgen
wird noch beweisen müssen, ob er mit den Menschen in NRW warm werden
kann. Ihm steht die Ochsentour durch zutiefst frustrierte Ortsvereine
noch bevor, wo er seine Anhänger überzeugen muss, dass ihn die Sorgen
der Kommunalpolitik in Duisburg mehr interessieren als der Traum vom
Kanzleramt. Angela Merkel, soviel ist sicher, hat nun zwei starke
Konkurrenten im Kabinett, die ihr das Leben nicht leichter machen
werden.
Gewählt wurde Norbert Röttgen aber nicht, um sein Machtspiel in
Berlin zu unterstützen, sondern damit er die miserabel gemanagte CDU
in NRW wieder aufbaut.
Armin Laschet wäre die glaubhafte, bodenständige Alternative
gewesen. Als Integrationsminister hat er erfolgreich unter Beweis
gestellt, dass Toleranz kein Exklusiv-Angebot von linker oder
liberaler Seite, sondern auch dem modernen Christentum wesenseigen
ist. Zweimal ist er angetreten, zweimal hat er verloren. Er weiß,
dass es in der Politik keine dritte Chance gibt. Seine Stimme wird in
der CDU kaum mehr Gewicht haben.
Eines Tages, wenn der Rummel vorbei ist, wird die NRW-Union
Politiker wie Jürgen Rüttgers und Armin Laschet schmerzlich
vermissen, denn sie stehen für den beschädigten Markenkern der CDU:
rheinischen Kapitalismus, menschlichen Konservatismus und das "hohe
C".
Für Freunde der Basisdemokratie war die Mitgliederbefragung ein
Meilenstein. Auch wenn die NRW-CDU inhaltlich nicht darauf
vorbereitet war, dass ihren Mitgliedern die Machtfrage gestellt
wurde, hat die große Wahlbeteiligung doch bewiesen, dass es ein
Bedürfnis gibt, mitreden zu können, gerade wenn es um das
Spitzenpersonal geht. Bemerkenswert ist auch, wie fair die Kandidaten
in den Wahlkampf gezogen sind. In der SPD wäre eine solche Abstimmung
dem Aufruf zum offenen Bruderkampf gleichgekommen. So hat die
Befragung der CDU-Mitglieder für die anderen Parteien eine Büchse der
Pandora geöffnet: die Themen Basisdemokratie und Volksabstimmung
stehen wieder auf der politischen Tagesordnung.
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