(ots) - Seit den Zeiten des Bürgerkriegs hat die Partei des
amerikanischen Präsidenten bei den Zwischenwahlen im Durchschnitt 32
Mandate im Repräsentantenhaus und zwei Senatorensitze verloren.
Regieren muss bestraft werden, finden die US-Wähler, die leicht zu
entzücken und noch leichter zu erzürnen sind. Nun hat es Barack Obama
und seine Demokraten getroffen, und mit mehr als 60 Mandatsverlusten
ist die Lektion hart ausgefallen. Die Gründe sind keine Geheimsache:
Jobs, Jobs, Jobs belegen die ersten drei Ränge der Klageliste. Die
Angst um Arbeitsplätze und vor dem Verlust des Eigenheims, das zur
Ikonografie des amerikanischen Traums zählt wie die Freiheitsstatue,
überschattet alle Erfolge der Regierung Obama. Laut Umfragen glaubt
eine Mehrheit, dass der Präsident ihre Steuern erhöht habe, obwohl
das Gegenteil der Fall ist. Es mag eine ähnliche Klientel sein, die
seit seinem Amtsantritt im Januar 2009 zunehmend meint, er sei ein
getarnter Muslim. Blinde Wut und Furcht vieler Wähler allein erklärt
jedoch noch nicht die Entzauberung Barack Obamas. Ohne Ergebnis
rätseln kluge Beobachter seit Monaten, wo der überragende Redner des
Wahlkampfs fehlte, dessen Charme und Nachdenklichkeit auch wenig
gebildete Wähler für Wandel und Hoffnung begeisterte. Das Regieren in
harten Zeiten verstärke Obamas Neigung zum Hochmut, sagen manche.
Seine Coolness, lange gefeiert, sei in Wahrheit ein Panzer, den er
sich in einer schwierigen, einsamen Jugend zugelegt habe. An diesem
Panzer prallten die Sorgen und Nöte einfacher Menschen ab. Dazu gibt
es in den USA seit je ein starkes, eigentümliches Ressentiment gegen
Bildungseliten, nicht Geldeliten. Jeder ist nach dieser Vorstellung
seines materiellen Glücks Schmied, nicht aber seines Geistes
Schöpfer. Barack Obama ist nicht nur klug, er lässt es auf bisweilen
penetrante Weise wissen, dass er das weiß. Es mangelt nicht an
Empfehlungen, wie sich der Präsident zu ändern habe, um eine Chance
zur Wiederwahl 2012 zu haben. Warten und beten, dass die Wirtschaft
wieder rund läuft und Arbeitsplätze schafft, ist der einfachste Rat.
Die Republikaner im Kongress mit Angeboten, die sie nicht ablehnen
können, in die Pflicht zu nehmen und, wenn nötig und möglich,
bloßzustellen in ihrer Einfallslosigkeit, lautet eine andere
strategische Idee. Der gefährlichste, wie wir hoffen, nicht ernst
gemeinte, Rat kam von einem pensionierten Kolumnisten: Wie Franklin
D. Roosevelt das Not leidende Amerika durch den Kriegseintritt nach
Pearl Harbor 1941 aus der Misere holte, möge Barack Obama den Krieg
gegen den Iran vorbereiten. Die Republikaner müssten ihm zur Seite
stehen, die Kriegswirtschaft würde aufblühen, das Land wäre geeint.
Alles wäre gut. Und es wäre eine Katastrophe für den Rest der Welt.
Barack Obama wird nicht Amerikas dritten Krieg gegen ein muslimisches
Land beginnen. Die Feldzüge in Afghanistan und im Irak spielten zwar
im Wahlkampf eine auffällig geringe Rolle. Weder der Präsident noch
die Republikaner hatten ein Interesse daran zu betonen, was sie wohl
am meisten eint. Auf Butter, nicht Kanonen muss Obama hoffen. Schafft
die US-Wirtschaft bald den Aufschwung, wird zum Wahltag 2012 alles
verziehen sein. Oder wenigstens vergessen.
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