(firmenpresse) - Bonn - Die Ankündigung des Markenartiklers adidas, künftig auf Youtube und nicht mehr
auf klassische Werbung zu setzen, hat in der Marketingbranche für Aufsehen gesorgt. Der
Sportkonzern will einen großen Teil seine Marketingetats in soziale Netzwerke wie
Facebook oder Youtube verlagern. Das Gros der Kommunikation würde über digitale
Kanäle laufen. „Die klassischen Medien hingegen sind lange nicht mehr so wichtig wie
früher", so Adidas-Vorstand Erich Stamminger gegenüber dem Handelsblatt.
Es gehe um viel Geld: „13 Prozent vom Umsatz stecken die Franken jedes Jahr in
Werbung, 2010 werden das gut anderthalb Mrd. Euro sein. Einen gewichtigen Teil davon
bekamen bisher TV-Stationen und Zeitschriften. Doch das ist Geschichte", schreibt die
Wirtschaftszeitung. Die Ausgaben werden verschoben. Soziale Netze wie spielen eine
zentrale Rolle in den neuen Kampagnen. Anzeigen und Fernsehspots sind nur noch
Begleitmusik.
„Es hat seinen Grund, dass die Marke mit den drei Streifen auf neue Medien setzt:
Wichtigste Zielgruppe sind die 14- bis 19-Jährigen. Die verbringen viel Zeit in sozialen
Netzen, sie versenden Botschaften über Kurznachrichtendienste wie Twitter oder schauen
Filme auf der Videoplattform Youtube an", so das Handelsblatt. Ähnliches empfiehlt der
Medienanalyst Ken Doctor auch für die Verlage. Er geht davon aus, dass in der so
genannten hyperlokalen Werbung noch sehr viel Potenzial für milliardenschwere Umsätze
steckt - vor allem in Kombination mit mobilen Endgeräten, die den aktuellen Standort des
Nutzers erkennt. Ob hier Google, Facebook oder die regionalen Verlage das Rennen
machen, ist nach Ansicht von Ken Doctor offen.
„Die bisherigen Methoden, um die Interessen von Werbungtreibenden und Konsumenten
zusammenzubringen, sind noch unausgereift. In dieser Woche hat Google das Modell
‚Google Boost' angekündigt, das lokale Internetwerbung mittels Bewertungen ankurbeln
soll. AOL betreibt in den USA ein hyperlokales Nachrichtennetzwerk namens Patch mit
bald 500 lokalen Seiten und einem Werbenetzwerk. Aber obwohl sie lokale
Anzeigenverkäufer haben, gibt es dort praktisch nur überregionale Werbung. Dies ist
wahrscheinlich die dritte Generation von Anläufen in den USA, den Markt der lokalen
Anzeigen im Netz zu erschließen. Ich glaube, 2011 wird der Markt noch nicht wirklich
abheben, aber ab 2012″, erläutert Doctor im Gespräch mit medial digital-Bloggerin Ulrike
Langer http://medialdigital.de/2010/11/26/ken-doctor-lokalzeitungen-mussen-sich-in-der-
digitalen-welt-neu-ins-rennen-bringen/ .
Erkennbar sei nur, dass die klassische Einweg-Werbung, die auf Masseneffekte setzt, ein
Auslaufmodell ist. „Werbung ist ein altes Konzept aus der analogen Welt: Ich verkaufe
Euch Anzeigenplatz, viel Glück damit. Ich habe ein Massenpublikum, wenn Du als
Werbekunde etwas mitzuteilen hast - bitte sehr, versuche es. Und wenn es nicht klappt,
dann vielleicht nächstes Mal. Dieses Konzept bringt den Massenmedien immer noch
Milliardenumsätze ein. Aber die digitalen Medien sind auf dem Vormarsch", so Doctor. Für
Verleger und Journalisten sollten klar sein, dass Werbekunden keine Anzeigen schalten,
um Medien zu unterstützen. Sie wollen Kunden gewinnen: „Und ebenso wie wir im
digitalen Zeitalter viel mehr Auswahl haben, welche Medien wir auf welchen Geräten
nutzen wollen, gibt es diese Auswahl auch für Werbekunden. Es ist ja nicht so, dass sie
keine Werbung mehr schalten wollen. Aber sie wollen genauer als früher wissen, wie viele
neue Kunden ihnen das bringt. Sie nutzen Google und performance-basierte Modelle. Sie
experimentieren mit Facebook und Mobile Marketing."
Wenn man Werbung in „Marketing Services" umbenenne, dann schrumpft der Markt für
regionale Verlage nicht, dann wächst er. Unternehmen werden immer Produkte verkaufen
wollen, das ist ein zeitloses Marktgesetz. Aber Verlage müssten sich wieder ins Rennen
bringen, wenn es darum geht die Interessen der werbungtreibenden Unternehmen und
der Konsumenten zusammenzubringen. Ob sie diese technologische Intelligenz
mitbringen, für ein perfektes Matchmaking zu sorgen, bezweifle ich. Auf der Basis der
Nutzerdaten, die bei Facebook und Google auflaufen, kann man die von Doctor skizzierte
hyperlokale Werbung perfekt umsetzen - kombiniert mit überregionalen Kampagnen von
schwergewichtigen Markenartiklern wie adidas.
Ob die Firmen in Deutschland allerdings schon reif sind für eine radikale Hinwendung zu
sozialen Netzwerken, darf bezweifelt werden. Wer sich auf Netzwerke im Internet einlässt,
müsse auch bereit sein für nicht-hierarchische Kommunikationsformen und eine
unkontrollierbare Dynamik, erklärt der Internetexperte Professor Peter Kruse. Es sei keine
Frage der Technologie. Bei einer Netzwerkorganisation greife man die Linie an und das
provoziert Machtreaktionen. „Wie bereit sind die Kulturen, sich auf die Unkontrollierbarkeit
von Informationsflüssen einzulassen", fragt sich Kruse (siehe Youtube-Video).Â
„Sie müssen sich darauf einlassen, dass permanent Wirkungen da sind, die sich nicht nach
den Organisationsmustern der Hierarchie richten. Es kann dann passieren, dass ein
Beteiligter im Netzwerk für eine kleine Phase der Zeit wichtiger wird als der
Vorstandsvorsitzende", sagt der Netzwerktheoretiker. Wer die Ansicht vertrete, soziale
Netzwerke seien nur ein weiterer Kanal für die Kommunikation, der verstehe einfach nicht
die Bedeutung von Heterarchie. In Netzwerkstrukturen löse sich das Über- und
Unterordnungsverhältnis auf: „Das Prinzip der Selbstorganisation wird wichtiger, sowohl in
Unternehmen als auch bei Kunden. Das bekommt das Servicepersonal stärker zu spüren.
Verbraucher informieren sich immer stärker im Netz, vergleichen Angebote, machen sich
schlau und werden von anderen Verbrauchern informiert. Entsprechend hoch muss die
Qualifikation der Mitarbeiter sein, um diesen aufgeklärten Verbrauchern einen smarten
Service zu bieten", so die Erfahrung von Peter B. Záboji, Chairman des After Sales-
Spezialisten Bitronic http://www.bitronic.eu/mission-statement/.
Mit der Selbstorganisation werde auch ein Großteil der Call Center-Agenten in den
nächsten Jahren verzichtbar, prognostiziert der IBM-Cheftechnologe Gunter Dueck
http://www.omnisophie.com/. „Der Kunde kauf, überweist, bucht Flüge und Reisen, er
bestellt Papierfotos elektronisch durch Anklicken im Internet, gestaltet Fotokalender und
eigene T-Shirts, er trägt seine Einkommenssteuerdaten online beim Finanzamt ein - das
muss jetzt kein Beamter mehr tun. Er beginnt das eigene Arbeiten zu schätzen, weil er im
Internet ‚in Ruhe‘ arbeiten kann, er muss nie mehr mit roten Kopf nervös unter Termindruck
in einer Schlange warten", so Dueck - auch in nicht in der Warteschlange einer Hotline. Die
Kommunikation von Mensch zu Mensch sei im Kundenservice nicht entscheidend und
darüber hinaus zu teuer: „Deshalb werden die Internetprozeduren mit erheblichem
Aufwand über die Zeit besser und besser programmiert - am besten überall einheitlich,
damit der Kunde möglichst breit einsatzfähig ist und viel selbst erledigen kann", sagt
Dueck. Der Kunde erbringe den Service selbst und habe dabei sogar noch ein
Serviceerlebnis.
Siehe auch:
Neue Leitwährung im Online-Marketing gesucht: Soziale Interaktionen wichtiger als
Klickraten.
http://www.service-insiders.de/news-itk/show/209/Neue-Leitw%C3%A4hrung-im-Online-
Marketing-gesucht--Soziale-Interaktionen-wichtiger-als-Klickraten
SED-Kader und die Social Media-Trockenübungen der Marketingmanager.
http://gunnarsohn.wordpress.com/2010/11/24/sed-kader-und-die-social-media-
trockenubungen-der-marketingmanager/
Social Media und der langsame Tod der Call Center.Â
http://gunnarsohn.wordpress.com/2010/09/17/social-media-und-der-langsame-tod-der-call-
center/