Ende 2010 entschied das Landgericht Hamburg, dass „YouTube“ für die Rechtsverletzung Dritter einzustehen haben. Gegenstand der Entscheidung war die immer wieder aktuelle Frage, wann ein Betreiber einer Internetplattform für Inhalte, die durch Dritte eingestellt werden, haftet. Der Artikel führt in die Problematik ein und erläutert die Gerichtsentscheidung.
(firmenpresse) - 1. Haftung des Plattformbetreibers
Warum hafte ich für den Mist, den andere verzapfen? Eine nicht unberechtigte Frage, die die Anwälte von ilex immer wieder zu hören bekommen. Der Betreiber einer Internetplattform weiß häufig erst zu spät, dass er für Rechtsverletzungen Dritter in Anspruch genommen werden kann. Ein Beispiel gefällig? Sigrun Sorglos stellt ein Video von Madonna auf einer bekannten Video-Plattform ein. Damit begeht sie eine Rechtsverletzung, da die Veröffentlichung von Musik- und Filmwerken ein originäres Recht des Urhebers ist und Madonna – oder der Rechteverwerter – Frau Sorglos keine Zustimmung zur Veröffentlichung ihres Musikvideos gegeben hat. Da Sigrun Sorglos aber nicht auffindbar ist, wendet sich der Anwalt der Urheberin direkt an den Betreiber der Plattform. So oder zumindest ganz ähnlich hat sich der Fall zugetragen, den das LG Hamburg (LG Hamburg, Urteil vom 3.9.2010 - 308 O 27/09) zu entscheiden hatte. Das Gericht hat entschieden, dass YouTube haften soll. Aber warum?
2. Grundsatz: Haftung fĂĽr eigene und fremde Inhalte
Einleuchtend ist, dass man für Inhalte haftet, die man selber im Internet einstellt. In diesem Fall trifft den Content-Provider (= derjenige, der Inhalt zur Verfügung stellt) die volle Härte des Gesetzes: Zivilrechtlich (z. B wegen Urheberrechtsverletzung) und strafrechtlich (z. B. wegen beleidigender Äußerungen) kann er in Haftung genommen werden. In unserem Beispiel haftet Sigrun Sorglos also gegenüber der Urheberin. Sigrun hat aber kein Geld und ist ohnedies unauffindbar. Der Anwalt von Madonna nimmt also den Plattformbetreiber in Anspruch. Dieser stellt sich nachvollziehbar auf den Standpunkt, er habe das Video doch gar nicht selbst eingestellt. Warum soll er also haften?
Inhalte Dritter werden dann wie eigene behandelt, wenn der Betreiber der Plattform sich diese zueigen macht. Die Abgrenzung von eigenem zu fremdem Inhalt wird aus der Sicht eines verständigen Internetnutzers beurteilt. Die Entscheidung wird dann von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängen. Dies bringt uns zu der Entscheidung des Landgerichts Hamburg.
3. EntscheidungsgrĂĽnde
Die entscheidenden Richter schauten als durch die Brille eines verständigen Internetnutzer und kamen zu dem Schluss, dass unter Berücksichtigung des gesamten Erscheinungsbildes der Internetplattform die Videos zumindest auch als Inhalte von YouTube zu bewerten sind.
Der Dienst YouTube erscheine nicht als neutrale Videoplattform zum Einstellen von Inhalten, da das jeweilig Video bzw. Werk beim Abspielen eingebunden in einen von YouTube vorgegebenen Rahmen auf der linken Hälfte der Internetseite erscheine, über dem Video dessen Titel angezeigt würde und der Name des einstellenden Nutzers (bzw. des von ihm gewählten Pseudonyms) in einem gesonderten Kasten auf der rechten Seite der Internetseite in kleinerer Schriftgröße und ohne Verbindung zu dem gerade abgespielten Video oder dessen Titel und damit auf den ersten Blick auch ohne Zusammenhang zu dem angezeigten Video selbst erscheine. Stattdessen erscheine über dem Titel des Videos in deutlich größerer Schrift das Logo der Videoplattform YouTube. Das Gericht maß der visuellen Beziehung des Logos zu den Videos im Gegensatz zu dem Namen des Nutzers entscheidendes Gewicht bei. Hierdurch mache YouTube sich den Inhalt der Videos zueigen.
Ebenfalls relevant für die Entscheidung des Landgerichts war die Zusammenstellung weiterer Vorschläge von Videos, die möglicherweise von Interesse sein könnte. Diese Zusammenstellung wird von YouTube zur Verfügung gestellt. Auch hierdurch werde – so das Gericht – der Eindruck vermittelt, dass das eingestellte Video ein eigener Inhalt von YouTube ist. Neben weiteren Argumenten stellt das Gericht auch noch auf die nach außen erkennbare kommerzielle Nutzung der Drittinhalte ab, welche sich aus der Einblendung von Werbebannern und Videowerbung ergäbe.
4. Ausblick
Da die Auswirkungen dieser Entscheidung für YouTube (und auch viele weitere Plattformbetreiber) von einschneidender Bedeutung sind, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Es bleibt abzuwarten, wie die nächste Instanz entscheidet. An diesem Urteil ist bereits einiges an Kritik laut geworden. Es bringt zunächst einmal große Unsicherheit für viele Betreiber von ähnlichen Plattformen mit, die nun fürchten müssen, als Täter für Urheberrechtsverletzungen in Anspruch genommen zu werden. Wir raten daher dringend, sich von einem Spezialisten im Vorfeld beraten zu lassen.
Markus Timm
Rechtsanwalt zugleich Fachanwalt IT-Recht
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