(ots) - Das Volk scheint jetzt auch in Ägypten über die zu
siegen, die ihnen Menschenrechte und Teilhabe am Wohlstand verwehrt
haben. Wie einst in der DDR und jüngst in Tunesien haben die Menschen
am Nil in den vergangenen beiden Wochen zunehmend ihre Angst vor dem
ziemlich allmächtigen Staats-, Partei- und Sicherheitsapparaten des
seit 30 Jahren regierenden Präsidenten Husni Mubarak verloren und
sind öffentlich für Demokratie eingetreten. Der Ruf nach Freiheit
wurde trotz Gefahr für Leib und Leben der Demonstranten immer lauter,
letztlich unüberhörbar. Erst waren es Tausende, dann Hunderttausende,
heute - nach dem Freitagsgebet - sollen es mehr als eine Million
Ägypter werden, die auf den Kairoer Tahrir Platz strömen und diesen
zu einem wahren Platz der Freiheit machen. Am Ende war der Druck auf
Mubarak zu groß. Als Alternative blieb ihm nur noch die Wahl zwischen
einem Blutbad am eigenen Volk oder seiner Abdankung. Bei aller
Kritik, das eigene Volk am Gängelband geführt zu haben, bleibt ihm
gegenüber im Fall des Rücktritts zumindest ein Rest von Respekt, sich
dem friedlichen Wandel nicht länger zu widersetzen. Druck auf Mubarak
haben nicht allein die Demonstranten ausgeübt. Auch das Militär, von
Amerika als nahöstlicher Stabilitätsanker ausgebildet, ausgerüstet
und finanziert, hat dem Präsidenten Grenzen aufgezeigt, als es sich
nicht als dessen willfährige Handlanger missbrauchen ließ. Im
Gegenteil: Die Generalität fuhr Panzer zum Schutz der Demonstranten
auf. Sie wurde so Teil der Wende zum Hoffnungsvollen und zum vorerst
entscheidenden Stabilitätsfaktor im Lande. Die Militärführung dürfte
Mubarak spätestens gestern angesichts der für heute zu erwartenden
neuen Massenproteste, die längst zum Volksaufstand geworden sind,
klar gemacht haben, dass er nicht mehr zu retten sei. Dass am Ende
auch die eigene Regierungspartei Mubarak zum Rücktritt drängte,
dürfte dagegen eher dem Opportunismus geschuldet sein. Nämlich der
Hoffnung, in einem demnächst hoffentlich demokratischen politischen
System überleben zu können. Und bei aller nach außen gedrungenen
Zaghaftigkeit sollte nicht der interne Druck westlicher
Regierungschefs unterschätzt werden, der Mubarak klar gemacht hat,
wie isoliert er auch international geworden ist. Freie Wahlen und
damit der Aufbau einer Demokratie sind die großen Ziele für die
kommenden Wochen und Monate. Das wird nicht leicht in einem Land, das
Demokratie bislang nicht gekannt hat. Die künftige Übergangsregierung
muss als ehrlicher Makler demokratische Strukturen vorbereiten,
Parteien müssen gegründet, die Menschen auch auf dem Lande an ihre
neuen Freiheiten herangeführt werden, und schließlich sind faire
Wahlen zu organisieren. Ob das alles binnen 60 Tagen, wie es die
Verfassung vorgibt, zu schaffen ist, muss bezweifelt werden.
Gründlichkeit vor Schnelligkeit - dieses Prinzip muss auch in diesen
Tagen ägyptischen Glücks gelten. Denn dauerhaft gesichert ist die
Freiheit, die auf dem Tahrir Platz errungen wurde, noch lange nicht.
Das Beispiel Iran schreckt weiter. Dass die islamistischen
Moslembrüder in Kairo derzeit nur eine Rolle am Rande spielen, dürfte
mehr strategischen Ãœberlegungen entspringen als demokratischen
Einsichten.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd(at)axelspringer.de