(ots) - Es ist vollbracht. Husni Mubarak hat sich dem
Willen der Masse gebeugt. Vielleicht jedenfalls. Denn bei all den am
nächsten Tag dann doch wieder nicht gültigen Nachrichten sollte man
ja vorsichtig sein mit dem Indikativ. Also fällt unsere Freude aus
der Ferne zunächst einmal verhalten aus - so wunderbar es auch immer
wieder ist, wenn es endlich gelingt, ältere Herren, längst unfähig
zum Dialog, zum Wechsel, zum Verzicht, dann endlich doch noch
einigermaßen friedlich aus ihren politischen Sesseln zu heben.
Verhaltene Freude, auch Nüchternheit, das gilt erst recht für den
Blick nach vorne, von dem man ja noch keine Klarheit erwarten kann.
Wenn es ganz gut geht, dann erleben wir in diesen Tagen den Beginn
eines demokratischen Aufbruchs in Arabien. Der müsste, wenn er
gelingen soll, dauerhaft sein soll, auch von der internationalen
Gemeinschaft die Chance bekommen, sich eigenständig zu entwickeln.
Unterstützung ja; Einflussnahme nein. Zurückhaltung gerade seitens
des Westens, der Mubarak ja sehr, sehr lange hofiert hat, ohne dass
es unsere vielen großen Geister sonderlich gestört hätte. Jedenfalls
hat man das so wahrgenommen. An wessen Seite der Westen sich auch
immer in den kommenden Wochen und Monaten auch immer stellt, den
macht er verdächtig. Das muss berücksichtigen, wer sich hierzulande,
in Europa, Gedanken darüber macht, wie es jetzt weiter gehen soll.
Das ist kein Plädoyer dafür wieder wegzuschauen, aber eines für große
Behutsamkeit im Umgang mit einem Land, mit einer Region, die eine
enorme Bedeutung hat für den Frieden und den Wohlstand auf dieser
Welt. Weil das so ist, hat der Westen Mubarak lange Zeit gewähren
lassen; und genau so muss er jetzt, auch wenn die Lage viel
unübersichtlicher, unkontrollierbarer ist, jene Ägypter gewähren
lassen, die erfolgreich aufgestanden sind. Nur wenn man ihnen die
Freiheit und die Zeit lässt, sich selbst und ihre eigene Form der
Volksherrschaft zu finden, kann dieser Neuanfang auf Dauer gelingen.
Die Risiken dieses Prozesses, da darf man sich allerdings auch keine
Illusionen machen, sind enorm groß. Volksaufstände münden nicht
zwangsläufig in eine bessere, gerechtere, gewaltfreiere Gesellschaft;
sie tragen aber den Keim dafür in sich. Den muss man pflegen, und das
kann nur gelingen, wenn die Menschen spüren, fühlen, erleben, dass es
ihnen auch im Alltag besser geht und nicht nur auf dem Papier, auf
dem Wahlzettel oder in der internationalen Presse. Aus dem Aufstand
auch einen gewissen Wohlstand wachsen zu lassen, das ist eine
Aufgabe, der sich natürlich zuallererst die künftig verantwortlichen
Kräfte Ägyptens stellen müssen. Aber unsere Hilfe, die erheblich war
zu Zeiten Mubaraks, die darf auch nicht geringer werden, weil die
politische Gemengelage unübersichtlicher ist. Würde sie es, wäre das
ein Beitrag zum Scheitern des arabischen Aufbruchs.
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