Die Möglichkeiten zur Fehlervermeidung, die bereits bei der Produktentwicklung umzusetzen sind, sollten möglichst früh im Projekt geprüft werden. Dazu sind Konstruktion und Montageprozesse zeitgleich zu betrachten. Mit Hilfe der FMEA-Methode gelingt es Automobilzulieferen auf aufwändige Montage- und Prüfvorrichtungen zu verzichten, die sonst zur Absicherung des Prozesses notwendig wären.
(firmenpresse) - Die Erstellung einer System-FMEA kann, je nach Umfang eines Projekts, langwierig und teuer sein. Neben der Suche nach Systematiken zur Verkürzung der Bearbeitungszeit ist es daher sinnvoll, den Nutzen der Fehlermöglichkeits- und –einfluss-Analyse (FMEA) über die reine Fehleranalyse hinaus zu erweitern. So kann der Aufbau der Systemelemente und Funktionsstruktur genutzt werden, um Lücken im Gesamtkonzept frühzeitig aufzudecken und die bestgeeignete Möglichkeit zur Fehlervermeidung zu wählen. Das Gesamtsystem beinhaltet Konstruktion, Herstellung sowie Montage der Baugruppen und Einzelteile. Speziell die Montageprozesse müssen zusammen mit den Baugruppen und Einzelteilen an der richtigen Stelle in die Systemstruktur eingearbeitet werden. Hierzu ist es allerdings nötig, von der klassischen Trennung zwischen Produkt- und Prozess-FMEA Abstand zu nehmen.
Konventionelle FMEA-Sitzungen
Diesen Weg geht die Eissmann Group Automotive mit Firmensitz in Bad Urach seit Beginn 2003. Der Hersteller hochwertiger Fahrzeugkomponenten aus Leder erwirtschaftet an weltweit acht Standorten mit über 2200 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 110 Mio Euro. Die Produktpalette reicht von verschiedenen Bedienteilen wie Schaltgriffe, Handbremsen und Wählhebel bis hin zu Verkleidungsteilen wie Türverkleidungen, Instrumententafeln und Mittelkonsolen.
Das Unternehmen beobachtete, dass die konventionelle FMEA-Sitzung in der Regel rasch an Grenzen stößt. Waren die Teammitglieder anfänglich noch motiviert, so schwand diese Motivation mit der Zeit allmählich und machte der Langeweile Platz. Zweifel am Sinn der Methode kamen auf. Zum einen ging der Blick für die Zusammenhänge verloren, je detaillierter man sich mit den Einzelthemen beschäftigte, und zum anderen wurden bei jedem Projekt immer wieder dieselben Probleme besprochen, da bestimmte Systemelemente des Prozesses naturgemäß in fast allen Projekten in der gleichen Form wieder auftauchten. Die sinkende Begeisterung der Teammitglieder und der aufkommende Zeitdruck innerhalb des Projekts führten dann zu Kompromissen in Bezug auf die Vollständigkeit der Betrachtungen.
Viele Unternehmen kämpfen mit diesem Problem. In der Folge werden häufig die falschen Elemente vernachlässigt. Das große Potenzial, das sich in puncto Fehlervermeidung und der damit verbundenen Kostenersparnis in der FMEA-Methode verbirgt, wird so nicht voll ausgeschöpft. Der eigentliche Sinn, nämlich den Kundenwunsch zu erfüllen, ohne dabei auf vorhersehbare Probleme zu stoßen, gerät außer Sicht.
Lösung durch neue Sichtweise
Ziel muss es daher sein, die FMEA-Methode so anzuwenden, dass sich die Betrachtung eng am Kundenwunsch orientiert und jene Systemelemente vorrangig betrachtet werden, die den größten und neuartigsten bzw. unbekanntesten Teil zu dessen Erfüllung beitragen. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Element des Prozesses oder der Konstruktion seinen Beitrag beisteuert. Dem Team muss beim Aufbau der Strukturen klar vor Augen geführt werden, was die Vernachlässigung einzelner Funktionen oder Elemente für Konsequenzen haben könnte.
Eine mögliche Vorgehensweise ist, die Struktur der FMEA so aufzubauen, dass Prozesselemente nicht nur in der vom VDA vorgeschlagenen Form unterhalb der Produkt-Systemelemente, sondern auch neben diesen angeordnet werden. So können sie gemeinsam die jeweils übergeordneten Funktionen bedienen und schließlich den Kundenwunsch erfüllen (Bild 1). Um einige der vom Kunden gewünschten Eigenschaften des gesamten Produkts zu erzeugen, genügt es, wenn die Bauteile 1 und 2 ihrerseits spezifische Eigenschaften aufweisen. Beispiele für eine solche Eigenschaft wären die Farbe bzw. Farbzusammenstellung des Produkts. Hier ist es ausreichend, wenn jedes einzelne Bauteil für sich die richtige Farbe aufweist.
Eine weitere Eigenschaft des Produkts könnte die richtige Ausrichtung von Bauteil 1 zu Bauteil 2 sein. Beim Aufbau der Funktionsstruktur wird entschieden, wodurch die richtige Ausrichtung am effektivsten sichergestellt werden kann. Zunächst kann geprüft werden, ob eine konstruktive Lösung (z. B. eine Positionierhilfe an den Bauteilen) möglich ist. Erst, wenn Produkt- und Prozessentwickler diese Lösung ausschließen, wird die Funktion dem Prozess zugeteilt, der die Absicherung der Funktion über Montage- oder Prüfeinrichtungen sicherstellt. Im ungünstigsten Fall wird die Fehlervermeidung dem Mitarbeiter zugeteilt und versucht, die Auftretenswahrscheinlichkeit mit Hilfe von Arbeits- und Prüfanweisungen, Mitarbeiterschulungen und Ähnlichem zu verringern. Dies sollte jedoch die Ausnahme bleiben.
Wird in jeder Ebene der Systemstruktur auf diese Weise verfahren, können so genannte Funktionslücken oder Fehlverteilungen der Funktionen frühzeitig aufgedeckt und beseitigt werden. Eine spätere Entdeckung und Änderung solcher konzeptionellen Fehler wäre mit hohen Kosten verbunden.
Auf die Ebenenzahl kommt's an.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die geeignete Methode zu finden und interne und externe Forderungen und Wünsche umzusetzen, wird bei Eissmann derzeit in einem ersten Schritt eine Systemelementstruktur aufgebaut. Übersichtlich und für alle Team-Mitglieder nachvollziehbar stellt die dazu eingesetzte Software Zusammenhänge von Konstruktionselementen und Montageprozessen dar.
Eine anfängliche Schwierigkeit war die Wahl der richtigen Anzahl der zu untersuchenden Ebenen. Es ist für die Übersichtlichkeit von entscheidender Bedeutung, nicht zu viele Ebenen abzubilden. Nach mehreren Versuchen mit einer Vielzahl von Ebenen bewährte sich die Zahl Vier. Werden Herstellungsprozesse nicht bei Unterlieferanten durchgeführt, wird noch eine fünfte Ebene ergänzt. Um einen immer wieder gleichen Aufbau zu gewährleisten, greift man auf eine entsprechende Vorlage zurück. Nach dem Kopieren dieser Vorlage werden die Namen der Systemelemente entsprechend an das Projekt angepasst (Bild 2).
In einem zweiten Schritt wird nach den Funktionen gesucht, die einzelne Systemelemente zur Erfüllung des Kundenwunsches beitragen. Dabei werden Bauteile und Prozesse als gleichwertige Funktionslieferanten betrachtet.
Idealerweise sind alle Bauteile so konstruiert, dass der Einsatz von aufwändigen Montagevorrichtungen vermieden werden kann. Funktionen wie „Richtige Position der Bauteile zueinander gewährleisten" werden also bereits konstruktiv sichergestellt. Ist der Konstrukteur und Prozessentwickler ein und dieselbe Person, ergeben sich hier weniger Schwierigkeiten. Sind die Aufgaben jedoch im Projekt-Team auf mehrere Personen verteilt
- bei komplexeren Projekten die Regel -, ist ein systematisches Hinterfragen des Zusammenspiels dieser beiden Bereiche im Rahmen einer FMEA-Team-Sitzung notwendig. Doch sogar für den Einzelkämpfer kann eine solche, vom Moderator geführte FMEA eine große Hilfe sein.
Bei der Aufstellung der Funktionsstruktur wurde in der Anfangsphase immer wieder der Fehler gemacht, die Funktionen bereits in den oberen Ebenen zu detailliert zu beschreiben. Dies führte dann regelmäßig zu Schwierigkeiten bei der Namensgebung in den darunter liegenden Ebenen. Hat man beispielsweise bereits in Ebene E l als Kundenwunsch die Funktion Optik eingetragen und in Ebene E2 als Zulieferfunktion die Farbe, muss man in Ebene E3 schon erfinderisch werden, um geeignete Funktionen für die darunter liegenden Ebenen zu finden.
Um nicht jedes Mal aufs Neue Zeit mit der Namensgebung zu verlieren, wurden die Funktionen für die einzelnen Ebenen festgeschrieben. Im Fall der Funktion „Farbe gewährleisten" sieht die vorgeschriebene Namensgebung wie folgt aus:
• E1: Wertanmutung gewährleisten,
• E2: Optik, Haptik, Akustik gewährleisten,
• E3: Farbe gewährleisten,
• E4: Oberfläche gewährleisten.
Ein weiteres Beispiel für Funktionen auf den verschiedenen Ebenen sind die Schnittstellen innerhalb des gesamten Systems:
Ebene E1 erhält die Funktion „Schnittstellen".
Ebene E2 unterscheidet zwischen internen und externen
Schnittstellen. Da die externen Schnittstellen für den Einbau beim Kunden entscheidend sind, wurde hier als Funktionsbezeichnung „Einbau (externe Schnittstellen)" gewählt. Die internen Schnittstellen hängen ihrerseits direkt mit der Montage im Haus zusammen, sodass sich hier „Montage (interne Schnittstellen)" als Funktionsname anbietet.
Ebene E3 beinhaltet als Zulieferfunktionen für „Montage (interne Schnittstellen)" die konkreten Anforderungen an die Schnittstellen zwischen den Baugruppen und Einzelteilen. Diese sind beispielsweise „Fixierung gewährleisten" oder „Position gewährleisten". Für „Einbau (externe Schnittstellen)" werden ebenfalls geeignete Unterfunktionen beschrieben. Diese Ebene enthält erstmalig einen zu den Elementen des Produktes parallel angeordneten Montageprozess - die „Endmontage der Baugruppen" -, dessen Arbeitsschritte ebenfalls als Zulieferfunktionen für die übergeordnete Ebene dienen. Ebene E4 ist die unterste „Produkt-Ebene". Hier wird entschieden, wie die konkreten Schnittstellen realisiert bzw. deren Funktionen sichergestellt werden sollen. Die erste Frage lautet: „Wie können die Funktionen bereits durch die Konstruktion abgesichert werden?" Die zweite Frage zielt in Richtung Prozess und fragt nach dem Beitrag, den der Prozess zur Sicherstellung einer funktionierenden Schnittstelle ggf. noch leisten muss. Diese Entscheidung fällt also im Gegensatz zur getrennten Produkt- und Prozess-FMEA bereits an dieser Stelle gemeinsam durch die Produkt- und Prozessentwickler.
Für die Umsetzung der beschriebenen Methode wird die Software SCIO-FMEA der Plato AG eingesetzt. Um die Verteilung der Funktionen besonders einfach zu gestalten, kommt zusätzlich das Modul Matrix-Analyse zum Einsatz.
Moderator und Team als Einheit
Bevor sich das Projekt-Team also Gedanken macht, was Fehler und Folgen von einzelnen Systemelementen sein könnten, wird das bestehende Gesamtkonzept durch gezielte Fragen des Moderators auf Fehler oder Lücken in der Funktionsstruktur untersucht. In einigen Teams wandelt sich sogar die Aufgabe des Moderators. Statt das Team durch Fragen zum Weitermachen aufzufordern, muss die Kreativität gebremst werden, um in angemessener Zeit zum Abschluss zu kommen. Das gesamte Team bekommt ein Gefühl für die Zusammenhänge im Projekt. Es entstehen Ideen, die frühzeitig diskutiert und ggf. eingearbeitet oder gemeinschaftlich verworfen werden können.
Wurde die System- und Funktionsstruktur des gesamten Projekts auf diese Weise aufgestellt, geht man nun an die Bearbeitung der eigentlichen FMEA. Es werden jeweils auf der untersten Ebene die Fehler, also die möglichen Abweichungen der Funktionen eingetragen. Auf den Ebenen El und E2 beschränkt man sich bei den Fehlern auf die reine Negation der Funktionen (Schnittstellen nicht gewährleistet, Einbau nicht gewährleistet usw.). Durch die systematische Verknüpfung der Fehler, Fehlerfolgen und Fehlerursachen zwischen den einzelnen Ebenen lassen sich jetzt die Wirkungsketten erzeugen. Man erhält bei der Analyse eines bestimmten Fehlers immer einen direkten Hinweis darauf, was die Folgen des Fehlers auf oberster Ebene - dem Kundenwunsch - sein könnten. Diese Information ist für die Wahl der Bedeutung B äußerst wichtig.
Von der FMEA profitieren
Neben dem beschriebenen Konzept erleichtern bei Eissmann weitere Verbesserungen die Bearbeitung von FMEAs. So kann etwa vermieden werden, dass zentrale Prozesse, d.h. solche, die für mehrere Projekte eingesetzt werden, von verschiedenen Teams mehrfach bearbeitet werden müssen. Ferner können Prozess-Systemelemente aus der Gesamtstruktur herausgelöst und in zeitlicher Abfolge dem Prozessablaufplan entsprechend geordnet werden. Die Bearbeitungszeit einer FMEA wird so - bei gleichzeitig deutlich verbessertem Ergebnis - um bis zu dreißig Prozent verkürzt.
Das Ziel der PLATO AG ist, Unternehmen bei der Entwicklung qualitativ hochwertiger Produkte und Prozesse zu unterstützen.
PLATO Softwarelösungen sorgen dafür, dass bereits in der Produktentwicklung mögliche Fehlerquellen identifiziert und beseitigt werden. Gerade in dem frühen Stadium der Entwicklung ist eine durchgängige IT-Unterstützung unverzichtbar. PLATO Softwarelösungen für Engineering & Complience liefern das Konzept und die Werkzeuge dazu, angefangen beim Kundenwunsch (QFD), über die Risikoanalyse (FMEA) mit darauf folgendem Maßnahmenmanagement, bis hin zu kompletten Dokumentationskonzepten für Entwicklung und Handbuchmana-gement.
PLATO AG
E-Mail: info(at)plato-ag.de
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Katrin Strate
Corporate Communications
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