Der Pianist Dmitri Demiashkin lebt bescheiden in der Nähe von Zürich und fischt frühmorgens
am See in Gummistifeln nach Zander. Dabei gilt der Russe als «eines der phänomenalsten
und aufregendsten Talente seit Jahrzehnten».
(firmenpresse) - Von JĂĽrg Vollmer / maiak.info
Einen grossen russischen Pianisten stellt man sich im Frack in der Konzerthalle vor — und
nicht in einer dicken Faserpelz-Jacke am nebelverhangenen See, mit robusten
Gummistiefeln und einem 81 Zentimeter langen Zander in den Händen.
Einen grossen russischen Pianisten identifiziert man mit den Mega-Metropolen Moskau
oder Sankt Petersburg — und nicht mit der Stadt Saransk in der Republik Mordwinien.
Einen grossen russischen Pianisten sucht man in einer glamourösen Loft in London oder
New York - und nicht in einer gemĂĽtlichen Wohnung nahe des Flughafens ZĂĽrich.
«Es war eine harte Zeit, und mir wurde nichts geschenkt»
Der 29-jährige Dmitri Demiashkin ist ein grosser russischer Pianist und ein leidenschaftlicher
Fischer. Er gehört dem finnisch-ugrinischen Volk der Mordwinen an und wohnt beim
Flughafen ZĂĽrich, weil er mit einer Schweizer Pilotin verheiratet ist.
Sein Lebensweg fĂĽhrte Dmitri mit sieben Jahren aus der mordwinischen Stadt Saransk in
das tatarische Kasan. Als seine Klavierlehrerin zwei Jahre später eine Stelle am
Staatlichen Konservatorium in Moskau antrat, zog die ganze Familie Demiashkin in die
Hauptstadt.
Das aussergewöhnliche Talent sollte nicht in der Provinz verkümmern und die Eltern
setzten alles daran, ihn zu fördern. Das war 1991, direkt nach dem Zusammenbruch der
Sowjetunion. «Es war eine harte Zeit, und mir wurde nichts geschenkt», erinnert sich
Demiashkin, «die Familie hatte kein Geld und ich musste jeden Tag stundenlang quer
durch Moskau fahren, von unserer billigen Wohnung am Stadtrand zur Musikschule und
zurück.»
Jeden Tag übte der junge Dmitri zwölf Stunden am Klavier
Der Lohn fĂĽr die ganze MĂĽhe waren internationale Erfolge, die Dmitri schon 1993 als
Elfjähriger einspielte. Der kleine Musikschüler spielte mit grossen Orchestern, begeisterte
überraschte Kritiker und Jurymitglieder in renommierten Wettbewerben. «Ich habe mir nie
die Frage gestellt, ob ich Berufsmusiker werden möchte. Ich habe einfach immer Klavier
gespielt.»
Tatsächlich hatte er täglich fünf Stunden Unterricht, vier Stunden Fahrzeit zur Musikschule
und zurück, zwei Stunden Hausaufgaben — und danach übte Dmitri Demiashkin noch
einmal fĂĽnf Stunden am Klavier. Da auch in Moskau die Tage nur 24 Stunden haben,
blieben dem Jungen nur acht Stunden fĂĽr Essen und Schlafen.
Demiashkin war ein aussergewöhnlicher Musikstudent
Nach Konzerten in fünfzehn Ländern, nach Auftritten in Radio und Fernsehen wurde der
15jährige Dmitri zu den Margess International of Switzerland Meisterkursen eingeladen.
Drei Meisterkurse später bot man ihm ein Stipendium in der Schweiz an. Mit Hilfe der
Stiftung Lyra der Bank Vontobel konnte er 1999 in die Schweiz ziehen und sein
Musikstudium am Konservatorium Winterthur und an der ZĂĽrcher Hochschule der KĂĽnste
fortsetzen.
Die Zürcher Mit-Studenten - allesamt auch ehrgeizige Musiker — staunten nicht schlecht
über Demiashkin. Der schaffte nämlich das Kunststück, ein Jahr lang sowohl an der
Zentralen Musikschule des Moskauer Konservatoriums als auch in ZĂĽrich zu studieren.
Professor Homero Francesch charakterisierte Demiashkin denn auch als einen «wirklich
aussergewöhnlichen jungen Pianisten. Er erfüllt den Konzertsaal mit einer perfekten
Mischung aus grenzenloser Virtuosität, feiner Musikalität und magischem Klang.» 2008
erhielt Demiashkin sein Solisten- und Konzertdiplom mit Auszeichnung und war bis 2010
Assistenzprofessor der ZĂĽrcher Hochschule der KĂĽnste.
Die Wurzeln von Dmitri Demiashkin sind in der Russischen Klavierschule
Die Verbindung zu seinen ethnischen und musikalischen Wurzeln hält Dmitri Demiashkin
aber aufrecht: In zahlreichen Meisterkursen nahm er Unterricht bei bedeutenden Vertretern
der Russischen Schule wie dem Urgestein Lew Naumow, bei Alexei Ljubimow und Vladimir
Viardo.
2007 wurde Demiashkin in seiner Heimat der Titel Verdienter Kunstschaffender der
Republik Mordwinien verliehen. 2009 und 2010 holte ihn Wladimir Fedossejew nach
Russland, um mit Demiashkin unter anderem das 1. Klavierkonzert von Chopin
aufzufĂĽhren. Fedossejew ist seit 30 Jahren Chefdirigent des Moskauer Radio-
Symphonieorchesters, eine Legende.
Demiashkin vereint poetische Sensibilität mit reicher Phantasie
Demiashkin bleibt bescheiden und allzu viel Lob, wie jenes des prominenten Musikkritikers
John Bell Young, ist ihm unangenehm. Dieser attestiert Demiashkin, er vereine poetische
Sensibilität mit einer aussergewöhnlich reichen musikalischen Phantasie.
Der Konzertfotograf Jaques Leiser erklärt gar, er sei «beinahe rückwärts in meinen Sessel
gefallen, als ich Dmitri Demiashkin zum ersten Mal hörte!" Leiser hatte schon
Schostakowitsch und Rubinstein vor seiner Linse und dabei Klavierspielen gehört, ist also
ziemlich verwöhnt. «Demiashkin ist eines der phänomenalsten und aufregendsten Talente
seit Jahrzehnten.»
Der Musikkritiker John Bell Young ergänzt, «Dmitri Demiashkin ist ein wirklicher Star, der
schon bald als eine der grossen Entdeckungen des neuen Jahrhunderts gelten wird.»
Das ist Demiashkin zuviel des Guten. Er packt seine High Tech-Angelrute, Faserpelz-Jacke
und Gummistiefel — und sucht sich den nächsten Zander.
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