Im Oktober 2004 stellte das 1998 gegrĂŒndete und in Mountain View (Kalifornien) ansĂ€ssige US-amerikanische Unternehmen Google Inc. das Projekt âGoogle BĂŒcherâ auf der Frankfurter Buchmesse vor (Pressekonferenz mit den FirmengrĂŒndern Sergey Brin und Larry Page). Bereits im Dezember 2004 erschienen erstmals Suchergebnisse aus den gescannten BĂŒchern in den Ergebnislisten der englischen SuchoberflĂ€che von Google.com. Inzwischen hat die Schaffung einer umfassenden digitalen Bibliothek Fortschritte gemacht, erheblichen Pressewirbel verursacht und entspricht dennoch den selbstgesetzten Unternehmenszielen des Suchmaschinenbetreibers: âDas Ziel von Google ist es, die Informationen der Welt zu organisieren und fĂŒr alle zu jeder Zeit zugĂ€nglich und nĂŒtzlich zu machenâ. Gleichwohl stellt die Vorgehensweise von Google Inc. in vielen LĂ€ndern eine Verletzung des dort jeweils geltenden Urheberrechtes dar, da der Buchbestand der Partnerbibliotheken von Google Inc. ohne RĂŒcksicht auf Schutzfristen und ohne Zustimmung der noch lebenden Rechteinhaber eingescannt und digitalisiert wurde. Die u. a. im Urheber- und Medienrecht tĂ€tige SozietĂ€t ilex RechtsanwĂ€lte & Steuerberater schildert Ihnen die Rechtslage.
(firmenpresse) - Worin liegt das urheberechtliche Problem?
Ăhnlich wie in den Rechtssystemen der meisten LĂ€nder der EuropĂ€ischen Union, verpflichtet das deutsche Urheberrecht den Nutzer eines urheberrechtlich geschĂŒtzten Werkes, den jeweiligen Rechteinhaber vor der Nutzung seines Werkes um Erlaubnis zu bitten. Die Regelschutzfrist, in denen diese Regel gilt, endet grundsĂ€tzlich erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers und wird als âpost mortem auctorisâ bezeichnet (= ânach dem Tod des Autorsâ). Erst nach Ablauf dieser Schutzfrist wird ein Werk gemeinfrei. Da es fĂŒr den Betreiber einer digitalen Datenbank erheblichen Aufwand und Kosten bereitet, Rechteinhaber noch bis zu 70 Jahre nach dem Tod eines Urhebers ausfindig zu machen, gibt es bislang unter den Betreibern digitaler Bibliotheken das sogenannte âschwarze Loch des 20. Jahrhundertsâ (K. de la Durantaye, in: FAZ v. 30.03.2011, Nr. 75, S. 21).
Welchen Weg beschreitet Google bislang?
Google Inc. löst dieses urheberechtliche Problem derzeit unter Ăberschreitung der deutschen und weiterer Rechtsordnungen, indem man geschickt die Tatsache ausnutzt, dass das Internet nicht an den Rechtsordnungen der jeweiligen Landesgrenzen halt macht. Von den derzeit eingescannten Werken werden derzeit kleine Ausschnitte den Lesern von âGoogle BĂŒchernâ zur VerfĂŒgung gestellt, ohne das die Rechteinhaber zuvor bei den nichtgemeinfreien Werken gefragt worden wĂ€ren. Google Inc. meint, diese Praxis sei nach dem US-amerikanischen Recht durch die sogenannte âFair Use Doctrineâ gedeckt, die es erlaubt ein Werk unter bestimmten Voraussetzungen ohne Zustimmung des Rechteinhabers zu nutzen. Daraufhin haben u. a. die Association of American Publishers und eine Handvoll Autoren und Verlage eine Sammelklage gegen Google Inc. eingereicht. Im Rahmen eines jahrelangen Rechtsstreites, kam es schlieĂlich zu einem Vergleichsvorschlag (âGoogle Book Settlementâ), den Google Inc. ausgearbeitet hatte und es dem Unternehmen erlaubt hĂ€tte, ohne RĂŒcksprache mit den Rechteinhabern, BĂŒcher aus einem weltweiten Bestand einzuscannen, in kleinen Ausschnitten zu zeigen und als eine Art Online-BuchhĂ€ndler inkl. zusĂ€tzlicher Bannerwerbung gegen Entgelt anzubieten. U. a. die deutsche Verwertungsgesellschaft âVG Wortâ klagte gegen einzelne Aspekte dieser möglichen Einigung vor einem amerikanischen Gericht. SchlieĂlich wurde der Vergleichsvorschlag dahingehend ĂŒberarbeitet, dass nur noch Werke von dem Vergleichsvorschlag erfasst sind, die wenigstens in den Vereinigten Staaten registriert sind oder in Australien, GroĂbritannien, Kanada oder den Vereinigten Staaten veröffentlicht wurden. Nach Mitteilung der FAZ (v. 30.03.2011, Nr. 75, S. 21) wurde auch dieser Vergleich von einem Richter am New Yorker Bezirksgericht inzwischen abgelehnt, so dass der Rechtsstreit nun weitergeht.
Ist das Problem neu?
Nein, das Problem ist ĂŒberhaupt nicht neu. Allerdings schafft die digitale Welt des 21. Jahrhundert eine wichtige ZĂ€sur. Der âKampf um das Urheberrechtâ kam bereits in der Mitte des 15. Jahrhunderts unmittelbar mit der Erfindung des modernen Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern und einer Druckerpresse durch den Mainzer Goldschmied Johannes Gutenberg auf. Seine Erfindung war ein entscheidender Schritt fĂŒr die heutige Wissenschaftsgesellschaft. Mit dieser Erfindung wurde es einfacher, Kopien eines Werkes in gröĂeren Mengen herzustellen. FĂŒr die Entlohnung des geistigen Schöpfers von Buchwerken war es allerdings entscheidend, dass der Drucker beziehungsweise der Verleger den Schöpfern etwas fĂŒr das Manuskript zahlte. Schon in der frĂŒhen Neuzeit gab es aber die Nachahmer, nĂ€mlich andere Drucker, die bereits vorhandene Erstdrucke nachdruckten. Da der Nachdrucker anders als der Erstdrucker in der Regel keinen Autor bezahlt hatte, konnte er seine Produkte naturgemÀà gĂŒnstiger anbieten. FĂŒr einen Autor ist es zudem nicht akzeptabel, wenn der Nachdrucker ohne Wissen und Wollen des Autors den nachgedruckten Text absichtlich abĂ€ndert; eine damals durchaus anzutreffende Praxis. In dieser fĂŒr die Schöpfer von Buchwerken unangemessenen Praxis drĂŒckte sich bereits das BedĂŒrfnis fĂŒr das moderne Urheberrecht als Teil des âgeistigen Eigentumsâ aus. Mit dem Urheberrecht soll nĂ€mlich ein Anreiz und eine finanzielle Basis fĂŒr kulturelle oder wissenschaftliche Leistungen angeboten werden.
Kann Google Inc. in Deutschland verklagt werden?
Betreiber von âGoogle BĂŒcherâ ist das in (Kalifornien) ansĂ€ssige US-amerikanische Unternehmen Google Inc. Da dieses Unternehmen in Deutschland keine Niederlassung unterhĂ€lt und die Server zur Bereithaltung der Bildersuche angeblich in den Vereinigten Staaten stehen sollen, wĂ€re der allgemeine Gerichtsstand grundsĂ€tzlich in den Vereinigten Staaten anzusiedeln. Die in Hamburg in der ABC-StraĂe ansĂ€ssige Firma âGoogle Germany GmbHâ ist insofern nicht mit dem Betreiber von âGoogle BĂŒcherâ zu verwechseln. D. h. allerdings nicht, dass ein deutscher Gerichtstand und insbesondere auch deutsches Recht damit völlig obsolet wĂ€ren. Immerhin wendet sich âGoogle BĂŒcherâ in deutscher Sprache an ein deutsches Publikum und man kann die Ergebnisse der Suchmaschine selbstverstĂ€ndlich auch in Deutschland abrufen. Damit ist grundsĂ€tzlich der internationale Gerichtsstand der unerlaubten Handlung in Deutschland eröffnet, wenn der Betroffene nachweist, dass sich die Rechtsverletzung in Deutschland auswirkt.
Ulrich Schulte am HĂŒlse
Rechtsanwalt
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