(ots) -
Sperrfrist: 18.05.2011 18:15
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Für ein "grundsätzliches Mehrgenerationendenken" in der Wirtschaft
hat sich der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in
Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, ausgesprochen. Beim 2.
Peterskirchen-Dialog in Heidelberg zum Thema "Verantwortung für eine
zukunftsfähige Weltwirtschaft" kritisierte er am Mittwoch, es seien
bislang nur unzureichende Lehren aus der Finanzmarktkrise gezogen
worden. Er habe nicht den Eindruck, dass die Orientierung am
kurzfristigen Erreichen hoher oder höchster Gewinne inzwischen einer
langfristigeren Orientierung in den DAX-Unternehmen oder auf den
Finanzmärkten gewichen sei: "Das große Kasino scheint immer noch
nicht geschlossen zu sein."
Der christliche Glaube beruhe darauf, dass die Welt mit all ihren
Möglichkeiten von Gott ins Leben gerufen und den Menschen anvertraut
worden sei. So seien alle menschlichen Aktivitäten treuhänderisches
Handeln. "Alle wirtschaftlichen Akteure stehen aus dieser Sicht in
einer treuhänderischen Verantwortung für die Schöpfung Gottes - sie
sind in dieser Hinsicht stets Mit-Schöpfer Gottes: sie haben mit Teil
an der Weiterentwicklung, Neuschaffung dieser großartigen Welt und
stehen letztlich vor ihm und natürlich vor den Menschen in
Verantwortung für das, was sie tun."
Die Kirchen hätten seit ihrem Sozialwort von 1997 immer wieder
darauf hingewiesen, dass die Idee der Sozialen Marktwirtschaft heute
um Gesichtspunkte der ökologischen Verträglichkeit und der
internationalen Gerechtigkeit ergänzt werden müsse. "Wir müssen das
derzeitig herrschende Verständnis von Wachstum korrigieren," sagte
Schneider in Heidelberg, "die Abhängigkeit vieler Aktivitäten von
diesem Wachstum muss dringend reduziert werden! Es geht um das
Erreichen qualitativ hochwertiger Ziele, um die Qualität des Lebens
auf diesem Globus. Dem ist alles andere nachzuordnen."
Schneider warb für ein Denken, "das die heute genutzten
Möglichkeiten immer auch für die kommenden Generationen mit
durchdenkt" und das zugleich zurückhaltend und offensiv sein müsse:
"Zurückhaltend in der Nutzung der Güter, die für die nächsten
Generationen erhalten bleiben müssen, aber zugleich auch offensiv
darin, für die nächsten Generationen bessere Lebensbedingungen,
gerechtere, nachhaltigere Strukturen, zu schaffen, als dies heute der
Fall ist." Eine auf die Zukunft ausgerichtete Lebenseinstellung könne
nur mit einer zurückhaltenden Nutzung der Ressourcen der Erde
einhergehen. Auf dieser Grundlage könne man ein nachhaltiges
Wirtschaften betreiben, das nicht auf ein Wirtschaftswachstum und auf
höchstmögliche Gewinne um jeden Preis ausgerichtet ist, sondern die
robuste Sicherung der Lebensmöglichkeiten der Menschheit als oberstes
Ziel im Blick behalte. "Auf das für alle Menschen lebensdienliche Maß
kommt es also an, auch bei den Gewinnerwartungen."
Hannover, 18. Mai 2011
Pressestelle der EKD Silke Römhild
Es gilt das gesprochene Wort!
Präses Nikolaus Schneider
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD)
Leitbild: Ökologisch-soziale Marktwirtschaft
Beitrag zum 2. Peterskirchen-Dialog:
"Verantwortung für eine zukunftsfähige Weltwirtschaft" am 18. Mai
2011 in Heidelberg
Ganz offensichtlich hat sich die deutsche Wirtschaft von der Krise
der Finanzmärkte 2008/2009 überraschend schnell und gut erholt. Die
Gewinne sprudeln auf fast allen Ebenen; selbst für die
Steuereinnahmen werden mittlerweile bisher ungeahnte Zuwächse
vorausgesagt. Deutschland ist sehr viel erfolgreicher durch die Krise
gekommen, als wir das fast alle noch in den Jahren 2008/2009 geglaubt
haben. Aber dennoch sitzt die Erfahrung dieses tiefsten Einschnitts
in der wirtschaftlichen Entwicklung seit 1929/30 in den Knochen.
Insofern sind viele in der Freude über den Erholungsprozess auch
gebremst, da die Angst, dass es zu einer Wiederholung der Situation
von 2008 kommen könnte, nach wie vor vorhanden ist. Und die Situation
in Europa stützt diese Befürchtungen noch weiter. Das Menetekel von
Griechenland ist an die Wand geschrieben!
Ist genug getan worden, um der Wiederholung einer Situation wie
2008 / 9 vorzubeugen? Zweifellos ist es zu einer ganzen Reihe von
Reformen der Finanzmärkte gekommen - aber ebenso zweifellos gibt es
weiterhin eine große Zahl von Lücken. Vieles bleibt ungeregelt.
Insbesondere habe ich nicht den Eindruck, dass die Orientierung am
kurzfristigen Erreichen hoher und höchster Gewinne, die ohne Frage
eine der Gründe für die Finanzkrise gewesen ist, einer
längerfristigen Orientierung in den Dax-Unternehmen und insbesondere
auf den Finanzmärkten gewichen ist. Irgendwie dreht sich - die in der
Öffentlichkeit erhobenen Forderungen weitgehend ignorierend - das
ganze Karussell weiter und das große Kasino scheint immer noch nicht
geschlossen zu sein.
Diese Feststellung gilt insbesondere dann, wenn man noch einmal
zurückblickt auf die Reformforderungen, die wir - gemeinsam mit
vielen anderen -aus Anlass der Krise 2008 erhoben haben. Seitens der
EKD haben wir 2009 das Wort des Rates der EKD zur globalen
Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise "Wie ein Riss in einer hohen Mauer"
veröffentlicht. Es lohnt sich, aus dem Wort weiterhin zu zitieren,
weil in ihm grundsätzliche Weichenstellungen gefordert wurden, die an
Aktualität nichts verloren haben. So hält dieses Wort in breiter
Übereinstimmung mit anderen evangelischen und ökumenischen Dokumenten
fest, dass die Idee der Sozialen Marktwirtschaft, die einstmals einen
Weg aus der Krise der Freien Marktwirtschaft durch Integration des
Leitbilds sozialer Gerechtigkeit suchte, heute um Gesichtspunkte der
ökologischen Verträglichkeit und der internationalen Gerechtigkeit
ergänzt werden muss.
Eine auf diesem Leitbild beruhende Rahmenordnung braucht als
Ziele:
- Eine Wirtschaft, die den Menschen heute dient, ohne die
Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen zu zerstören
- eine Weltgesellschaft, die die Verbesserung der Situation
ihrer ärmsten und schwächsten Mitglieder zu ihrer
vorrangigen Aufgabe macht
- schließlich ein Finanzsystem, das sich in den Dienst
dieser Aufgaben stellt.
Mit diesen Sätzen haben wir 2009 erneut betont, was bereits im
"Gemeinsamen Wort" von 1997 und dann auch in der Denkschrift über
unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive 2008
herausgearbeitet worden ist: "Eine um Nachhaltigkeitsfaktoren
erweiterte Soziale Marktwirtschaft kann verhindern, dass die
erreichten Erfolge eines ökologisch orientierten Umbaus wieder
preisgegeben werden und die soziale Gerechtigkeit durch eine
weiterwachsende Ungleichheit zunehmend beschädigt wird." (S. 18)
Deswegen braucht es strenge Rahmenbedingungen der Weltfinanzmärkte,
um ökologisch und sozial zukunftsfähige Ordnungsstrukturen
durchzusetzen. Wir haben damals mit Absicht gesagt, dass eine solche
Politik selbst dann richtig ist, wenn sie zu niedrigerem
quantitativen Wachstum führt, weil sie insgesamt für die Menschen und
die Natur nötig ist. Wir müssen das derzeitig herrschende Verständnis
von Wachstum korrigieren - die Abhängigkeit vieler Aktivitäten von
diesem Wachstum muss dringend reduziert werden! Es geht um das
Erreichen qualitativ hochwertiger Ziele, um die Qualität des Lebens
auf diesem Globus. Dem ist alles andere nachzuordnen.
In dieser Hinsicht ist auch noch einmal an das "Gemeinsame Wort"
von 1997 zu erinnern: "Wer die natürlichen Grundlagen des Lebens
nicht bewahrt, zieht aller wirtschaftlichen Aktivität den Boden unter
den Füßen weg. Solidarität und Gerechtigkeit können ihrem Wesen nach
nicht auf das eigene Gemeinwesen eingeschränkt, sie müssen weltweit
verstanden werden. Darum müssen zur sozialen die ökologische und die
globale Verpflichtung hinzutreten." (Für eine Zukunft in
Gerechtigkeit und Solidarität, S. 10)
Im Hintergrund dieser Ãœberlegungen stehen nicht einfach Anleihen
aus der Welt des Zeitgeistes und auch nicht die schlichte Anbiederung
an wie auch immer geartete ökologischen Bewegungen, sondern die
Besinnung auf grundsätzliche christlich-ethische Grundorientierungen.
Der christliche Glaube beruht darauf, dass die Welt mit all ihren
Möglichkeiten von Gott ins Leben gerufen und den Menschen anvertraut
worden ist. Sie sollen diese großartige Welt bebauen und bewahren,
wie es auf den ersten Seiten der Bibel heißt. So banal diese Sätze
uns allen heute auch vorkommen mögen, so geht alleine aus diesen
Grundüberzeugungen doch deutlich hervor, dass Menschen in all ihren
Aktivitäten, und zwar insbesondere in den weltverändernden
ökonomischen Aktivitäten, es stets mit einem treuhänderischen Handeln
zu tun haben. Alle wirtschaftlichen Akteure stehen aus dieser Sicht
in einer treuhänderischen Verantwortung für die Schöpfung Gottes -
sie sind in dieser Hinsicht stets Mit-Schöpfer Gottes: sie haben mit
Teil an der Weiterentwicklung, Neuschaffung dieser großartigen Welt
und stehen letztlich vor ihm und natürlich vor den Menschen in
Verantwortung für das, was sie tun.
Diese treuhänderische Verantwortung für Gottes Schöpfung drückt
sich insbesondere darin aus, dass jede Generation immer wieder
gehalten ist, die Möglichkeiten der Welt an die nächste Generation zu
übergeben, und zwar so weiterzugeben, dass deren Leben weder bedroht
noch beeinträchtigt, sondern im Gegenteil möglichst besser -
nachhaltiger, gerechter - gestaltet werden kann, als das der jetzt
Lebenden. Es verstößt gegen diesen Grundsatz einer treuhänderischen
Einstellung, wenn Einzelne, Gruppen, Unternehmen oder andere Akteure
in der Wirtschaft sich so verhalten, als könnten sie die Ressourcen
der Welt jenseits dieser Verantwortungsperspektive verbrauchen. Mitte
und Maß, die sich aus der schöpfungstheologischen Beauftragung des
Menschen herleiten, scheinen abhanden gekommen zu sein. Was sich
folglich durchsetzen muss, ist ein grundsätzliches
Mehrgenerationendenken, das die heute genutzten Möglichkeiten immer
auch für die kommenden Generationen mit durchdenkt und von daher in
der Nutzung dessen, was heute möglich ist, zugleich zurückhaltend wie
auch offensiv ist. Zurückhaltend in der Nutzung der Güter, die für
die nächsten Generationen erhalten bleiben müssen, aber zugleich auch
offensiv darin, für die nächsten Generationen bessere
Lebensbedingungen, gerechtere, nachhaltigere Strukturen, zu schaffen,
als dies heute der Fall ist. Wir müssen davon wegkommen zu meinen,
die jeweils lebende Generation sei der Höhepunkt der Schöpfung. In
christlicher Überzeugung gehen wir auf den Höhepunkt der Schöpfung,
auf die Verwirklichung des Reiches Gottes erst noch zu und erwarten
unsere und die Vollendung des rettenden Handelns Gottes. Wir gehen
auf den zu, der aus der Zukunft auf uns zu kommt und sind deswegen
als Christen stets auf der Wanderung hin zu ihm begriffen. Diese auf
die Zukunft bezogene Lebenseinstellung kann nur mit einer
zurückhaltenden Nutzung der Ressourcen der Erde einhergehen. Und es
ist deutlich, dass man mit solch einer Einstellung stets sich
erneuernde Kreisläufe im Blick hat. Auf dieser Grundlage kann man ein
nachhaltiges Wirtschaften betreiben, das nicht auf ein
Wirtschaftswachstum und auf höchstmögliche Gewinne um jeden Preis
ausgerichtet ist, sondern die robuste Sicherung der
Lebensmöglichkeiten der Menschheit als oberstes Ziel im Blick behält.
Sicher bleibt es richtig, dass die Gewinne von heute die
Investitionen von morgen sind - aber ebenso gilt, dass sich die
Zerstörungen von heute morgen potenzieren werden. Auf das für alle
Menschen lebensdienliche Maß kommt es also an, auch bei den
Gewinnerwartungen.
Von einer solchen treuhänderischen Mehrgenerationenperspektive her
muss deswegen gefragt werden, ob nicht der Raubbau an der Natur und
an den Ressourcen die Logik der gegenwärtigen Wirtschaftsstruktur
bestimmt: Der Raubbau, der sich einerseits aus einem bestimmten
Paradigma ökonomischen Wachstums und andererseits der unzureichenden
ökonomischen Bewertung der Naturgüter ergibt. Es scheint so zu sein,
dass die Struktur des Kapitalverwertungsprozesses auf ein stetiges
monetäres Wirtschaftswachstum zielt. Es sieht so aus, als ob unser
Wirtschaftssystem in einer mittlerweile extremen Weise von der
Selbstverwertung des eingesetzten Kapitals abhängig ist. Und diese
kann sich, so sieht es aus, nur durch ständig neue Landnahmen der
Ökonomie und damit durch ständiges Wachstum realisieren. In den USA,
Europa und Deutschland leben wir längst nicht mehr in einer
Wirtschaft, die auf Befriedigung von grundlegenden Bedürfnissen
ausgerichtet ist, sondern in einer, die im Grunde aus dem Ãœberfluss
der Zukunft heraus lebt und ihre Gewinne durch Wetten auf diese
Zukunft erwirtschaftet. Der Eindruck, dass das was auf den
Finanzmärkten geschieht, immer weniger mit der Güter- und
Dienstleistungswirtschaft zu tun hat, ist nicht von der Hand zu
weisen - und das ist umso schwerwiegender, als die reale Wirtschaft
gut funktionierende Finanzmärkte braucht, um florieren zu können.
Finanzmärkte sind noch einmal in nuce treuhänderische Agenturen, die
- wenn sie gut funktionieren - im Dienst der Realökonomie stehen und
nicht über sie herrschen. Ferner ist zu bedenken, dass wir mit einem
Überangebot an Informationen und Bewertungen zurecht kommen müssen,
an denen die Akteure auf den Finanzmärkten nicht vorbei agiert werden
können. Die Finanzmarktkrise ist daher auch eine Krise der
Informationstechnologie und des automatisierten Computerhandels.
Dass diese Entwicklungen mit einer sozialverträglichen und an
Gerechtigkeitskategorien orientierten Wirtschaftsordnung wenig zu tun
haben, liegt auf der Hand. Und sie haben auch wenig oder nichts mit
einer grundsätzlichen Ressourcenschonung oder einer ökologischen
Orientierung zu tun. Es scheint vielmehr bisweilen so zu sein, dass
die erreichbaren Produktionszuwächse nicht oder gerade noch
ausreichend sind, um die zusätzlichen Schäden zu kompensieren, die
durch die Produktionsweise entstanden sind. Die Gefahr ist daher,
dass die durch ökonomisches Wachstum erwirtschafteten
Wohlfahrtsgewinne umgehend durch ökologische und soziale Folgekosten
reduziert oder sogar aufgezehrt werden - wenn nicht in Verluste
umschlagen.
Wir brauchen eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und
Ressourcenverbrauch, d. h. die Abkehr von einem rein quantitativ und
materiell ausgerichteten Wohlstandsmodell. Zukunftsfähig ist unser
marktwirtschaftliches Modell, wenn der ökonomische Wachstumszwang vom
Naturverbrauch losgelöst wird. "Eine ökologisch und sozial
zukunftsfähige Ökonomie bedarf des Umsteuerns hin zu einem
qualitativen Wirtschaftswachstum und einem entsprechenden Lebensstil.
Ein solches "Green Grow" ist die entscheidende Herausforderung
wirtschaftlichen Handelns in der Gegenwart." (Die Soziale
Marktwirtschaft weiterentwickeln, EKvW, S. 32)
Man kann sich verschiedene Szenarien vorstellen, um unsere
Wirtschaft auf eine entsprechend nachhaltige Post-Wachstumsökonomie
umzusteuern. Die folgenden Szenarien lehnen sich an eine Studie von
Andreas Mayert aus dem Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD an:
-Das erste Übergangsszenario ist das der ökologischen
Katastrophe. Wie dies aussehen könnte, haben wir angesichts der
Nuklearkatastrophe und des Tsunamis in Japan erlebt. Ich hoffe nicht,
dass es notwendig wird, auf eine solche Katastrophe auch in
Deutschland zu warten. Aber unrealistisch ist ein solches
Ãœbergangsszenario nicht.
-Das zweite Übergangsszenario lässt sich als langfristiger
Mentalitätswandel in der Gesellschaft beschreiben, der einen
schrittweisen Ãœbergang zu einem reduzierten Wirtschaftswachstum
führt. Für ein solches Übergangsszenario spricht, dass es weitgehend
freiheitlich erfolgen kann und den Wünschen der Menschen entsprechen
könnte. Allerdings kann es sein, dass ein solcher Wandel zu langsam
ist, um eine ökologische Katastrophe abzuwenden. Zudem ist die Frage
offen, ob auf diese Weise wirklich dauerhafte Veränderungen entstehen
können. Es ist nicht sicher, dass sich das Konsumentenbewusstsein in
allen Bereichen auf neue Lebensstile hin entwickeln wird. Die
Wirtschaft wird immer wieder darauf zielen, mit neuen Produkten den
Konsum der Menschen anzutreiben.
Ein drittes Ãœbergangsszenario besteht darin, gesellschaftliche
Institutionen so zu verändern, dass sie zur neuen Richtung nachhaltig
beitragen. Dieser Vorschlag zielt vor allem darauf, dass sich die
bestehenden demokratischen Institutionen im Blick auf eine Begrenzung
des Ressourcenverbrauchs und ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum
dauerhaft selbst binden, so dass entsprechende neuentwickelte
Anreizsysteme nicht mehr der politischen Veränderung unterliegen
dürfen. Das Ziel wäre nicht eine Überwindung der Marktwirtschaft,
sondern eine Neugestaltung ihrer Regeln (z.B. Definition des BIP;
Anreizsysteme) und jener Institutionen, die als Durchsetzungs- und
Sanktionierungsinstanzen infrage kommen. Es braucht die Konstruktion
eines glaubwürdigen Verpflichtungsmechanismus. Dazu kann z. B.
gehören, dass die bestehenden Umweltbehörden und umweltpolitischen
Zuständigkeiten zu einer unabhängigen nationalen
Nachhaltigkeitsbehörde zusammengefasst werden, die möglicherweise
sogar auf europäischer Ebene errichtet wird. Eine weitere Strategie
kann darin bestehen, die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens so zu
gestalten, dass externe Kosten internalisiert werden. Natürlich ist
dies auch nur ein - zugegebenermaßen ehrgeiziger - Vorschlag, um
endlich zu einem nachhaltigen Umsteuern unserer Wirtschaft zu kommen.
Und sicher gibt es an dieser Stelle noch viel zu diskutieren, was die
darüber hinausgehende Rolle des Staates, z. B. der Steuerpolitik als
Anreizsystem und der Organisation der Energieversorgung betrifft.
Ebenso gilt es über die Rolle der Unternehmen und ihrer
Verpflichtungen im Sinne einer
Corporate-Social-Responsibility-Strategie zu sprechen, die die
Kernprozesse eines jeden Unternehmens von einer CSR-gesteuerten
Verantwortung her begreift und entsprechend steuert. Ernstgenommene
CSR bedeutet nicht freiwillige Leistungen und Spenden für diesen oder
jenen guten Zweck. CSR bedeutet das Steuern des Unternehmens in allen
geschäftlichen Prozessen, wie Produktion und Vertrieb in seiner
Verantwortung für Kunden, Mitarbeiter, Umwelt und Gesellschaft um
das Wirtschaften nachhaltigerzu gestalten. Viel sagen müsste man an
dieser Stelle auch noch über die Verantwortung der Zivilgesellschaft,
der Konsumenten und aller Bürgerinnen und Bürger für eine bewusste
Gestaltung des eigenen Lebensstils. Es gibt letztlich keinen
Gegensatz zwischen strukturellen Veränderungen und der Verantwortung
des Einzelnen. Beides muss so aufeinander abgestimmt sein, dass die
Wahrnehmung von Verantwortung für die Nächsten und die Schöpfung den
Einzelnen belohnt und nicht benachteiligt. Als Christenmensch habe
ich keinen Gefallen an apokalyptischen Vorhersagen. Ich gründe meine
Lebenszuversicht aus den großen Gnadenzusagen der Heiligen Schrift.
Deshalb schließe ich mit den letzten Sätzen aus dem Text des Rates
zur Finanzkrise: "Im Vertrauen auf Gott dürfen wir das prophetische
Wort auch auf unsere krisenhafte Lage und auf unsere Zukunft
beziehen: 'Und der Herr wird dich immer da führen und dich sättigen
in der Dürre und dein Gebein stärken und du wirst sein, wie ein
bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser
fehlt.'" (S. 22)
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