(ots) - Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, hat heute in
Brüssel auf dem Treffen europäischer Religionsführer mit den
Präsidenten der EU-Institutionen dazu aufgerufen, die historische
Chance des "arabischen Frühlings" zu nutzen, und eine Annäherung der
Europäischen Union an ihre südlichen Nachbarstaaten rund um das
Mittelmeer voranzutreiben.
Im Mittelpunkt der Gespräche mit dem Präsidenten der Europäischen
Kommission, José Manuel Barroso, dem Präsidenten des Europäischen
Parlaments, Jerzy Buzek und dem Präsidenten des Europäischen Rates,
Herman van Rompuy standen in diesem Jahr die politischen Umbrüche im
südlichen Mittelmeerraum und die Reaktion der EU im Wege einer
"Partnerschaft für Demokratie und gemeinsamen Wohlstand".
"Als Protestanten wissen wir: Pluralismus ist kein Schimpfwort,
sondern notwendig für die Existenz einer freien, demokratischen
Gesellschaft", so der EKD-Ratsvorsitzende. Deswegen sei es wichtig,
jetzt die Zivilgesellschaften zu unterstützen. Sie helfen den
Bürgern, sich gegenüber dem Staat zu artikulieren. Die Rechte der
Frau spielten bei der Gestaltung der Veränderungsprozesse in
Nordafrika eine Schlüsselrolle.
Schneider betonte, dass jeder Religion eine Kraft innewohnt, die
Gesellschaften zu besseren verändern kann. Er erinnerte dabei genauso
an die Rolle von Kirchen in der Wende 1989 in Osteuropa wie die
Leistung vieler Imame bei den Freitagsgebeten während der
Revolutionen in Ägypten und Tunesien, die zum relativ friedlichen
Ausgang beigetragen hätten. Genauso gebe es aber eine
gesellschaftsverändernde Kraft der Demokratisierung, der sich auch
die Religionen nicht entziehen könnten. "Daher brauchen wir den
Dialog", hob der Repräsentant der EKD auf dem internationalen Treffen
hervor.
Schneider verurteilte alle Versuche, diesen Dialog - zwischen
Staat und Religion und zwischen den Religionen untereinander - zu
behindern. Insbesondere Feindseligkeiten zwischen den Religionen
müssten unterbunden werden. Die Politik habe die berechtigte
Erwartung, dass Religionen den Frieden fördern und nicht behindern.
Abschließend fasste der Ratsvorsitzende die Erwartungen an die EU
in folgenden Punkten zusammen: Das soziale Ungleichgewicht zwischen
Europa und seinen südlichen Nachbarn müsse schnell verringert werden
und junge Menschen müssten Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Dazu
trügen faire Wirtschaftsabkommen der EU als größtem Markt der Welt
entscheidend bei. Die Welt werde Europa aber auch daran messen,
welche Behandlung Flüchtlingen zu Teil werde, Europa dürfe keine
Festung werden. Präsident van Rompuy unterstrich, dies sei nicht die
Zeit für uns Europäer weniger offen, weniger tolerant, egoistischer
oder materialistischer oder gar rassistischer zu werden.
Hannover/Brüssel, 30. Mai 2011
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick/Patrick Roger Schnabel
Hintergrund:
Um die Bedeutung des Dialogs mit den Kirchen und
Religionsgemeinschaften zu betonen, hat der Präsident der
Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, 2005 erstmals hohe
Vertreter der drei monotheistischen Religionen in Europa zu einem
"Religious Leaders Meeting" eingeladen. Seit Inkrafttreten des
Vertrags von Lissabon gehört der Dialog mit den Kirchen, Religions-
und Weltanschauungsgemeinschaften zum Vertragsrecht der EU.
An dem Treffen nahmen auch die EU-Kommissare Stefan Füle
(Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik), Viviane Reding
(Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft), John Dalli (Gesundheit und
Verbraucherpolitik) und Cecilia Malmström (Inneres) teil.
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