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"Es geht um die zukünftige Architektur des Mediensystems" / BDZV-Jahrespressekonferenz: Verleger kritisieren unfairen Wettbewerb / Gute Konjunktur erreicht Zeitungsverlage bisher nicht

ID: 435668

(ots) - Die gute Konjunktur in Deutschland hat die
Zeitungsverlage bisher nicht erreicht. Das erklärte der Bundesverband
Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) bei seiner Jahrespressekonferenz am
5. Juli 2011 in Berlin. "Von dem für 2011 prognostizierten
Wirtschaftswachstum von 3,3 Prozent (IFO-Institut) sind die Verlage
leider sehr weit entfernt", sagte BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar
Wolff. So sei der Umfang (Volumen in Millimetern) der
Zeitungsanzeigen trotz des allgemeinen Aufschwungs in den ersten vier
Monaten des laufenden Jahres um 4,2 Prozent zurückgegangen. Vor allem
bei den Geschäftsanzeigen (Markenartikel, Handelsanzeigen, lokale
Geschäftsanzeigen) habe es einen Einbruch von 11,4 Prozent gegeben.
Vor diesem Hintergrund müssten die Zeitungen jetzt alle Kraft darauf
verwenden, sich noch offensiver als attraktives Werbemedium ins Spiel
zu bringen. "Gedruckt, online und mobil erreichen wir Tag für Tag ein
Massenpublikum, das unseren Produkten eine hohe Wertschätzung und
großes Vertrauen entgegenbringt", so Wolff. Allerdings müssten sich
die Zeitungen - ebenso wie andere klassische Medien - mit sehr
starken neuen Wettbewerbern auseinandersetzen. Megaunternehmen wie
Google und Facebook drängten bis in die lokalen Märkte. Gerade diesen
ebenso jungen wie mächtigen Marktteilnehmern müssten die Verlage mit
innovativen und kreativen Angeboten begegnen. "Zeitungen sind die
local heroes. Doch für diese herausragende Stellung müssen wir in
Zukunft noch härter arbeiten", betonte Wolff. Dass die Auflagen der
gedruckten Zeitungen zurückgingen, sei jenseits der demografischen
Entwicklung Teil des Transformationsprozesses, in dem sich die
Zeitungshäuser befänden. Denn gleichzeitig - so Wolff - verzeichneten
die digitalen Angebote der Verlage ein immer größeres Publikum. Zu
den 73 Prozent der über 14-Jährigen, die regelmäßig die gedruckte




Zeitung lesen, kämen 52 Prozent der Internet-Nutzer (26 Millionen),
die als so genannte Unique User die Websites der Zeitungen besuchen.
"In der Summe erreichen viele Zeitungen gedruckt plus online plus
mobil heute mehr Menschen als je zuvor", sagte der
BDZV-Hauptgeschäftsführer. Doch noch immer seien im digitalen Markt
die Geschäftsmodelle zu wenig entwickelt, um das erfreuliche Wachstum
der Reichweiten zu monetarisieren. Die Gratiskultur im Internet und
die anhaltend inflationäre Preisentwicklung bei der Online-Werbung
stellten äußerst schwierige Bedingungen dar. Gleichwohl setzten die
meisten Verlage künftig auf Bezahlinhalte im Netz. Dies belegten die
vielen zum Teil unterschiedlichen Ansätze von Zeitungen,
Bezahlmodelle zu etablieren. "Bei den digitalen Vertriebsmodellen
sind wir erst am Anfang", so Wolff. Es stehe fest, dass angesichts
der Entwicklungen im Werbemarkt der Verkauf der Verlagsprodukte -
unabhängig ob gedruckt, online oder mobil - immer wichtiger werde.
Dass die Nutzer bereit seien, auch für digitale Qualitätsprodukte zu
bezahlen, zeige sich beim Verkauf von Apps für Smartphones und
Tablet-PCs. Bisher hätten Verlage bereits rund 40 App-Angebote für
das iPad und mehr als 60 Apps für Smartphones entwickelt. Die meisten
davon seien kostenpflichtig. Viele weitere Apps, die im Markt gegen
Entgelt angeboten werden sollten, seien geplant. Vor diesem
Hintergrund seien gebührenfinanzierte Gratis-Apps der
öffentlich-rechtlichen Anstalten "die Killer für ein digitales
Geschäftsmodell der Presse", erklärte Wolff. Er bekräftigte, dass
alle im BDZV versammelten Zeitungshäuser die Klage der acht Verlage
gegen die ARD und den NDR wegen der Tagesschau-App unterstützten. Es
sei doch völlig klar, dass die Nutzer nicht für eine gute Verlags-App
zahlten, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein ebenfalls gutes
journalistisches Produkt umsonst anböte. "Was ARD und NDR da
offerieren, ist - vor allem in seiner Textlastigkeit - ein staatlich
finanziertes Presseprodukt." Hier werde die Grundidee des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks ad absurdum geführt. Es sei
unverantwortlich, dass ein Produkt wie die Tagesschau-App von den
Kontrollgremien nicht einmal mehr geprüft werde.

Wolff hob hervor, der BDZV habe die Europäische Kommission über
die Wettbewerbsklage in Deutschland sowie eine Einschätzung des
erfolgten Drei-Stufen-Tests informiert. Die Brüsseler
Wettbewerbsbehörde habe mitgeteilt, dass sie die Hinweise durchaus
mit Interesse zur Kenntnis genommen habe und die weitere
Auseinandersetzung in Deutschland aufmerksam verfolgen werde.
"Konkret heißt das: Brüssel wird mit Argusaugen darauf achten, was
hier jetzt geschehen wird", so der Hauptgeschäftsführer.

Kartellverfahren gegen Google

Zum möglichen Ausgang des Kartellverfahrens der Zeitungs- und
Zeitschriftenverlage gegen Google äußerte sich der
BDZV-Hauptgeschäftsführer optimistisch. Die Verlage rechneten damit,
dass die nationalen und europäischen Kartellbehörden die
wettbewerbswidrigen Aktivitäten von Google stoppen. Die Verlage
forderten von Google ein faires Ranking der Suchergebnisse ("fair
search") und einen angemessenen Teil an den Einnahmen, die Google mit
Hilfe der von den Verlagen produzierten Inhalte erzielt ("fair
share"). Das Verfahren zu "fair search" liegt bei der EU-Kommission,
das zu "fair share" beim Bundeskartellamt. Der BDZV habe sich
gemeinsam mit dem Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) an
die Kartellbehörden gewandt, weil Google auf den Suchergebnisseiten
seine eigenen Websites höher bewerte als diejenigen von Verlagen.
Zudem weigere sich Google, den Verlagen für die Nutzung von deren
Inhalten eine angemessene Vergütung zu zahlen. Wolff machte deutlich,
dass "der Quasi-Monopolist Google" sich von einer reinen Suchmaschine
längst zum Anbieter digitaler Inhalte aller Art und damit zu einem
starken Wettbewerber etablierter Medien entwickelt habe. "Google ist
zu einem der größten Medienunternehmen der Welt avanciert und kann
sich - anders als jeder Zeitungsverlag - unkontrolliert im Markt
bewegen", so Wolff. Gleiches gelte im Übrigen auch für andere
digitale Großunternehmen. Angesichts einer solchen Entwicklung und
der ungebremsten Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei
der Gesetzgeber in Bund und Ländern dringend gefordert, die
Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung des Medienmarkts in
Deutschland zu justieren und gegebenenfalls neu zu definieren. "Es
geht um die künftige Architektur des Mediensystems, in dem die
Zeitungsverlage sich als wirtschaftlich und publizistisch
erfolgreiche Unternehmen weiterentwickeln können."

Geschäftsentwicklung 2010

Das Geschäftsjahr 2010 hätten die Zeitungsverlage nur mit einem
ganz knappen Umsatzplus von 0,7 Prozent abschließen können, erklärte
der BDZV-Geschäftsführer Verlagswirtschaft Jörg Laskowski. Dabei
betrug der Gesamtumsatz aus Tageszeitungen, Wochenzeitungen und
Wochen- und Sonntagszeitungen sowie Supplements 8,5 Milliarden Euro.
Die Zeitungen hätten im Werbemarkt Verluste (-1,2 Prozent) hinnehmen
müssen und einen Werbeumsatz von insgesamt 3,9 Milliarden Euro
verbucht. Die Vertriebsumsätze hingegen seien um 2,3 Prozent auf 4,6
Milliarden Euro gesteigert worden. Laskowski machte deutlich, dass
die Vertriebsumsätze mittlerweile einen Anteil von 54 Prozent am
Gesamtumsatz hätten. Wegen des Wegfalls zweier Wochentitel seien die
Vertriebsumsätze im Segment Wochen- und Sonntagszeitungen um 2,1
Prozent zurückgegangen. Positiv entwickelt habe sich dagegen bei
Wochen-/Sonntagszeitungen das Anzeigengeschäft mit einem Zuwachs von
4,6 Prozent.

Die Zeitungsauflagen gingen im 4. Quartal 2010
(Vorjahresvergleich) um 2,35 Prozent zurück (2009: 2,6 Prozent). Die
Auflage der Wochenzeitungen blieb mit einem geringen Zuwachs von 0,7
Prozent stabil. Die lokalen und regionalen Abozeitungen verloren im
Vorjahresvergleich zwei Prozent, überregionale Blätter drei Prozent,
Straßenverkaufszeitungen vier Prozent sowie Sonntagszeitungen drei
Prozent. Die 393 Zeitungstitel in Deutschland verkaufen pro
Erscheinungstag 24,1 Millionen bezahlte Exemplare. Davon entfallen 19
Millionen auf Tageszeitungen (lokale und regionale Abozeitungen 13,6
Millionen; überregionale 1,6; Straßenverkaufszeitungen 3,8), 1,9
Millionen auf Wochenzeitungen und 3,2 Millionen auf
Sonntagszeitungen.



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Hans-Joachim Fuhrmann
Telefon: 030/ 726298-210
E-Mail: fuhrmann(at)bdzv.de

Anja Pasquay
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Datum: 05.07.2011 - 11:22 Uhr
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