(ots) - Die Landwirtschaftsminister von
Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, Johannes Remmel (Grüne) und
Gert Lindemann (CDU), halten die Kontrolle des Antibiotika-Einsatzes
in der Tierhaltung nach Informationen des Nachrichtensenders NDR Info
für unzureichend. Besonders kritisch sehen beide, dass für den
Einsatz von Medikamenten bei Geflügel keine nach Regionen
aufgeschlüsselten Daten erhoben werden. Das
Bundeslandwirtschaftsministerium hatte diese Ausnahme mit Verweis auf
datenschutzrechtliche Bedenken zugelassen. "Hier wird unter dem
Deckmantel des Datenschutzes versucht, die Wege der
Antibiotika-Ströme zu verschleiern", sagte Landwirtschaftsminister
Remmel. Er kündigte gegenüber NDR Info an, eine Bundesratsinitiative
anzustreben. Gleiches behält sich sein Amtskollege aus Niedersachsen,
Gert Lindemann, vor. Auch die bayerische Landestierärztekammer
bewertet die Verordnung kritisch und fordert Nachbesserungen. Die
Bundestagsfraktion der Grünen bringt Donnerstag, 7. Juni, einen
Antrag für eine entsprechende Änderung ins Parlament ein. Experten
halten den regelmäßigen Einsatz von Antibiotika für gefährlich, weil
dadurch multiresistente Keime (MRSA) entstehen, die im schlimmsten
Falle zum Tode führen können.
Remmel und Lindemann halten die vollständige Kontrolle des
Antibiotika-Einsatzes in der Tiermast für dringend nötig. "Gerade mit
Blick auf das gestiegene Vorkommen von multiresistenten Keimen ist es
sinnvoll, umfangreich Daten über die Antibiotika-Vergabe zu sammeln
und auszuwerten", so Gert Lindemann. Sein Ministerium sammelt
inzwischen eigene Daten von Tierärzten und Mästern, um den
Medikamenteneinsatz zu überprüfen. Im vergangenen Jahr hatte
Niedersachsen festgestellt, dass der Antibiotika-Einsatz in der
Hähnchenmast gestiegen ist. In Nordrhein-Westfalen läuft seit
Jahresbeginn eine umfangreiche Untersuchung. Darin wird erfasst, in
welchen Betrieben wie viele Medikamente eingesetzt werden. "Erste
Hinweise deuten darauf hin, dass auch dort der Antibiotika-Einsatz
gestiegen ist", sagte Remmel auf NDR Info.
Auch die bundesweit größte Tierärztekammer, die bayerische Kammer,
kritisiert die Verordnung des Bundeslandwirtschaftministeriums. In
einem Antrag fordert die Kammer das bayerische
Landwirtschaftsministerium auf dafür zu sorgen, dass das
Bundesministerium die Sonderregelung für die Geflügelindustrie
streicht und die Medikamentendokumentation zu einem wirksamen
Ãœberwachungsinstrument macht. Gleiches will auch die
Bundestagsfraktion der Grünen erreichen. Ihr agrarpolitischer
Sprecher, Friedrich Ostendorff, vermutet Lobbyinteressen hinter der
Ausnahme für Geflügel: "Ich bin lange im Geschäft und ich weiß, warum
auf einmal in so einer Verordnung alle Tierarten erfasst sind bis auf
Geflügel. Da weiß ich sofort, hier haben Lobbyinteressen gewirkt." In
dem zweiseitigen Antrag fordern die Grünen die Bundesregierung auf,
die entsprechende Arzneimittelverordnung (DIMDI) so zu ändern, "dass
den obersten Landesbehörden ausnahmslos alle Daten, aufgeschlüsselt
nach den ersten beiden Ziffern der Postleitzahl der Anschrift des
jeweiligen Tierarztes, zum Abruf bereitgestellt werden." Darüber
hinaus sprechen sich die Grünen dafür aus, "dass Sonderregelungen für
bestimmte Tierarten wie Geflügel entfallen".
Seit Anfang des Jahres werden über das datenbankgestützte
Informationssystem DIMDI erstmals Daten gesammelt, die Informationen
über den Antibiotika-Einsatz in der Nutztierhaltung liefern. Dabei
werden die ersten beiden Ziffern der Postleitzahl des verordnenden
Tierarztes dokumentiert. Die Ausnahme für Geflügel hatte das
Bundeslandwirtschaftsministerium damit begründet, dass in
Niedersachsen nur wenige darauf spezialisierte Tierärzte
praktizieren. So wären Mäster und Praxen leicht zu identifizieren.
Das sei mit dem Datenschutz nicht vereinbar, argumentiert das
Ministerium. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht
diese Probleme nicht. Für ihn sei der Verbraucherschutz wichtiger als
der Datenschutz, so Schaar auf NDR Info. Dies hatte er nach einer
Prüfung dem Ministerium schriftlich mitgeteilt. Das Ministerium sieht
keinen Anlass zu Änderungen.
Zu starker Einsatz von Antibiotika - sowohl bei Menschen als auch
bei Tieren - führt dazu, dass sich vermehrt resistente
Bakterienstämme bilden. Experten halten den regelmäßigen Einsatz von
Antibiotika in der Tiermast für problematisch. Beim Menschen können
resistente Keime zu Krankheiten führen, in nicht wenigen Fällen sind
Antibiotika wirkungslos. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts
sterben jährlich mehr als 15.000 Menschen in Deutschland an
multiresistenten Keimen.
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