(ots) - Bonn/Gut Havichhorst, 20. Juli 2011 - Peer Steinbrück
(SPD) sieht den Euro noch nicht in Gefahr, fordert aber rasche
Maßnahmen für dessen Stabilisierung. "Wenn wir weiter so
durchwursteln wie bisher, ist er gefährdet", sagte der ehemalige
Bundesfinanzminister in den HAVICHHORSTER GESPRÄCHEN
(PHOENIX-Ausstrahlung am Donnerstag, 21. Juli 2011, ab 15.00 Uhr und
am Sonntag, 24. Juli 2011, 13.00 und 22.30 Uhr). Bislang sei es eine
Refinanzierungskrise einzelner europäischer Länder. "Aber wenn wir
nicht bald sehr kraftvolle, mutige Entscheidungen treffen, dann habe
ich wirklich die Befürchtung, dass darüber eine Infektion für die
Eurozone insgesamt stattfinden könnte", so Steinbrück.
Ein verschärfter Stabilitäts- und Wachstumsmechanismus müsse
verabschiedet werden, ebenso eine bessere und größere
makroökonomische Überwachung, forderte Steinbrück im Hinblick auf das
Vertrauen gegenüber den Märkten. Darüber hinaus sei zumindest für
Griechenland eine Entlastung vonnöten, komplettiert mit einem
Aufbauprogramm und einer verbesserten administrativen und politischen
Struktur. Europäische Mittel müssten in die Zukunftsfelder gelegt
werden, von denen die Wettbewerbsfähigkeit abhänge. Außerdem müsse
auch das Vertrauen der Menschen in Europa wieder gestärkt werden. Man
müsse eine "neue Erzählung über Europa" entwickeln und diese nicht
auf eine Währungsunion reduzieren. "Der visionäre Teil ist verloren
gegangen", beklagte er.
Entscheidend im Hinblick auf den von ihm geforderten
"Marshall-Plan für periphere Mitgliedsstaaten" sei der Begriff der
Perspektive für die Bevölkerung, so Steinbrück. "Die politischen
Kräfte, die ich vertrete, sind dafür, dass eine Art Umsatzsteuer auf
Bankgeschäfte erhoben wird", sagte Steinbrück zu den
Finanzierungsmöglichkeiten. "Man könnte die europäischen Struktur-
und Kohäsionsfonds umschichten zugunsten dieser Länder", betonte er
zudem.
Unterdessen forderte der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog,
"die Koordinations- und Kontrollkompetenzen müssen in Brüssel stärker
entwickelt werden, und sei es um den Preis von weiteren
Vertragsänderungen". Zudem müsse ein Minimum an "jetzt nicht
außenpolitischer, sondern eigentlich weltpolitischer Kompetenz", nach
Brüssel verlagert werden, so Herzog. Doch er spüre in Brüssel immer
nur die "Absicht, noch ein bisschen einen größeren Staat
herkömmlicher Art zu spielen", beklagte der ehemalige
Bundespräsident.
Darüber hinaus betonte Herzog, dass es aus seiner Sicht zunächst
nicht auf die Institutionen, sondern auf die Öffentlichkeit ankomme.
"Das Entscheidende ist zunächst, dass Öffentlichkeit hergestellt
wird." Es werde zu wenig gesprochen, fügte Herzog hinzu.
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