Das Weißbuch der Europäischen Union von 2001 sieht vor, die Anzahl der Verkehrstoten bis 2010 um 50 Prozent zu reduzieren. In Folge ist die Entwicklungsintensität in der Fahrzeugsicherheit seit Jahren gestiegen. Schon heute weisen Fahrzeuge ein hohes Maß an Sicherheit für Insassen und Beifahrer auf. Doch auch zukünftige Entwicklungsvorhaben der Branche zum Schutz der Verkehrsteilnehmer stellen OEM, Lieferanten und ihre Entwicklungsdienstleister weiterhin vor Herausforderungen, die sie durch eine enge Zusammenarbeit gemeinsam lösen wollen.
(firmenpresse) - Die passive Sicherheit befasst sich mit unfallfolgemindernden Maßnahmen, um den Unfallschaden zu begrenzen. Die aktive Sicherheit setzt an der Unfallvermeidung an, um die Unfallhäufigkeit herabzusetzen. Beide Disziplinen, addiert um alle Facetten des Rettungswesens, vereint die integrale Sicherheit. Sie betrachtet anhand der gesamten Unfalleskalationskette die Wirksamkeit von Schutzvorrichtungen und entwickelt die effektivsten weiter, um das Schutzpotenzial aller Verkehrsteilnehmer nachhaltig zu steigern. Die Aufgabe der Entwickler besteht nun darin, die aktive und passive Sicherheit von Fahrzeugen zu verknüpfen und ganzheitlich zu betrachten. Bereits heute zielen die Entwicklungsbestrebungen darauf ab, Gefahrensituationen während des normalen Fahrzustandes frühzeitig zu erkennen und gleichzeitig zu deuten. Hieraus sollen folgerichtige Maßnahmen durch die aktiven und passiven Sicherheitssysteme eingeleitet werden.
Entwicklungsplattform „Integrale Sicherheit“
Neue Materialien oder deren Verbund, hochentwickelte Komfort- und Fahrerassistenzsysteme, konditionierbare und reversible Rückhaltesysteme oder automatische Notrufsysteme nach Unfällen (eCall-Systeme) – nur einige Evolutionen, die an dieser Stelle genannt werden – sind bei vielen OEM bereits Stand der Technik oder stehen in der nächsten Fahrzeuggeneration zur Verfügung. In ihrer Einzelbetrachtung tragen diese Module oder Systeme jeweils zu einer Effizienzsteigerung der Schutzpotenziale des Selbst- oder Partnerschutzes bei. Vernetzt man nun die aktive und passive Fahrzeugsicherheit mit Assistenz- und Komfortsystemen und den nach einem Unfall geschalteten Systemen, so ist die Entwicklungsplattform „Integrale Sicherheit“ geschaffen.
Funktionalität sicherstellen
Grundsätzlich gilt, dass die entwickelten Erprobungsarten die Funktionalität der Systeme im späteren Betrieb sicherstellen und zusätzlich Risiken, wie Misuse-Fälle (Missbräuche oder Systemfehlinterpretation) und Systemausfälle minimieren. Bertrandt arbeitet bereits an Lösungen zu möglichen Testszenarien und deren Standardisierung. Die Kontakte und die Zusammenarbeit zu OEM und verschiedenen Lieferanten bestehen und werden weiter intensiviert. Mit einem breiten Leistungsspektrum und einem niederlassungsübergreifenden Netzwerk unterstützt Bertrandt die Automobilindustrie in den neuen Handlungsfeldern der integralen Fahrzeugsicherheit – zukunftsgerichtet und bedarfsgerecht.
Moderne Fahrerassistenzsysteme unterstützen nicht nur den Fahrer bei der Erfüllung seiner Aufgaben, sondern erhöhen auch die Leistungsfähigkeit des Gesamtverbundes Fahrer/ Fahrzeug/Umwelt. Mithilfe der neuen Informationsquellen und –darstellungen kann der Fahrer seinen angestrebten Kurs vorgeben oder durch zielgerichtetes Eingreifen stabilisieren. Darüber hinaus können Assistenzsysteme Regelungseingriffe vollziehen, die in kritischen Fahrsituationen intervenierend erfolgen – oder in alltäglichen Situationen die Fahraufgabe zumindest teilweise übernehmen. Hierfür liefert eine Vielzahl von im Fahrzeug integrierten Sensoren Daten, die in Steuergeräten verarbeitet und an die entsprechenden Regelsysteme weitergeleitet werden. Gelingt es den Entwicklern, die Informationsqualität und -quantität der Sensoren zu erhöhen, die Daten durch passende Algorithmen eindeutig zu detektieren und gleichzeitig mit Systemen der aktiven und passiven Fahrzeugsicherheit zu kombinieren, so kann das Schutzpotenzial ab Beginn der Unfalleskalationskette bereits deutlich gesteigert werden.
Komplexere Testsysteme
Die Herausforderungen der integralen Fahrzeugsicherheit für OEM, Lieferanten und deren Entwicklungsdienstleister liegen unter anderem bei der Absicherung verknüpfter Systeme. Werden beispielsweise Informationen von Fahrerassistenzsystemen zur frühzeitigen Konditionierung von passiven Sicherheitseinrichtungen verwendet, müssen nicht nur umfangreichere Tests durchgeführt, sondern auch neuartige Testszenarien entwickelt werden. Nicht nur die Einzelsysteme wie Sensoren, Algorithmen oder Aktuatorik werden hierbei separat getestet, sondern auch die Funktionalität von Teilsystemen, wie Sensorik plus Algorithmus und das Gesamtsystem als solches. Wichtig ist, dass die Funktionalität beim späteren Betrieb des Fahrzeuges in jeder denkbaren Situation fehlerfrei gegeben ist. Hierzu gehört es auch, die Umwelt mit ihren unterschiedlichen Bedingungen wie Wetter, Licht oder Straßenführung sowie den Fahrzustand des eigenen Fahrzeuges und anderer Verkehrsteilnehmer in die Erprobung der Systeme mit einzubeziehen. Da nicht jede mögliche Verkehrssituation abgeprüft werden kann, ist die Automobilindustrie derzeit dabei, standardisierte Testszenarien zu entwickeln, die das Verkehrsgeschehen abbilden. Besonderes Augenmerk bei der Entwicklung der Testszenarien obliegt dem Verhalten der Fahrer, die unterschiedlich mit den entwickelten Sicherheitssystemen umgehen beziehungsweise auf deren Hinweise reagieren.
Die Autoren
Andree Hündling stieg 2005 als Projektingenieur in der Fahrzeugsicherheit bei Bertrandt in Gaimersheim ein, wo er seit 2007 für die Projektmanagementprozesse der gesamten Niederlassung verantwortlich ist.
Jan Christopher Kolb ist seit 2003 bei Bertrandt in Gaimersheim als Versuchsingenieur mit dem Themenschwerpunkt „Funktionsentwicklung Fußgängerschutz“ tätig und seit Mitte 2007 als Projektleiter Fahrzeugsicherheit mit dem Schwerpunkt „Funktionsentwicklung Fußgängerschutz und Vorderwagenentwicklung“ betraut.
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