(ots) - In Berlin trat zum Abschluss des politischen
Halbjahrs eine bestgelaunte Bundeskanzlerin vor die Presse. Angela
Merkel machte ihre Kandidatur für 2013 so gut wie offiziell. Sie tat
es nicht expressis verbis, weil dieser Schritt, wenigstens dieser
noch, das Vorrecht ihrer Partei, der CDU, ist. Von solcher
protokollarischen Feinheit abgesehen aber zeigte die Amtsinhaberin,
dass sie eine Politikerin des 21.Jahrhunderts ist -
gleichgültig gegenüber hundert Jahre alten Kategorien wie konservativ
oder fortschrittlich, hingegen voller Elan, sobald es darum geht,
weltumspannende, vielfach verwobene Vorgänge mit Schnelligkeit zu
managen. Merkel will sich für solche Aufgaben die größtmögliche
Bewegungsfreiheit erhalten. Bei den Themen Fukushima, Libyen,
Wehrpflicht und Schuldenkrise hat sie das demonstriert. Beim Thema
Bildung wird sie es im Herbst ebenfalls tun. Sie ist eine Managerin.
Manager werden nicht unbedingt geliebt, gleich welchen Geschlechts
sie sind. Noch nie war der Anteil der Nichtwähler so groß wie heute.
Angela Merkels Prämisse ist: Geld bereitstellen, um produktive
Reformen möglich zu machen, ist gut. Geld bereitstellen, um Reformen
zu vermeiden, ist schlecht. Das ist ein Leitsatz ihrer Firma
Deutschland, und er gilt für den Kita-Ausbau (Aufbrechen von
Arbeitsmarktschranken) genauso wie für die Griechenlandhilfe (wenn
Europa nicht finanziell für Licht am Ende des Tunnels sorgt,
verweigern die Hellenen den Bruch mit ihrem teuren Sozialstaat).
Innenpolitische Themen wertet sie mit weltpolitischem Blick,
außenpolitische Lagen unter dem Aspekt, was diese in der Innenpolitik
an Reformen notwendig machen. Wenn in Peking oder Neu-Delhi eine
Entscheidung fällt, horcht die Bundeskanzlerin auf. In alten Zeiten
hieß es einmal gönnerhaft, was schere es jemanden, ob in China ein
Sack Reis umfällt. Merkel schert es sehr, und sofort. Sie kann mit
der Verengung der FDP auf das Thema Steuern wenig anfangen, und es
lässt sie kalt, im Rechts-links-Schema ideologisch recht zu behalten.
Wer die Lösung für alle Probleme in einem bestimmten Schritt oder
einem bestimmten Bündnis erblickt, endet wie die DDR, das ist ihre
Lebenserfahrung. Angela Merkel scheint entschlossen zu sein, ihr
Handeln daran auszurichten. Mit dem polnischen, russischen, und dem
chinesischen Präsidenten pflegt sie einen engen Austausch, teilweise
von einer Intensität, wie sie noch vor wenigen Jahren als geradezu
verdächtig galt. Barack Obama muss hingegen darauf gefasst sein, von
Merkel klare Worte zu hören, wenn die Situation es zu gebieten
scheint. Es gibt vermutlich nur eine Ausnahme - die Haltung zu einem
hypothetischen Angriff des Iran auf Israel. Merkel versucht, alles zu
tun, um das Szenario eine These bleiben zu lassen. Kurz vor der
Halbzeit der schwarz-gelben Koalition steht Angela Merkel da als
Verkörperung des Satzes: Mir kann keiner. Sie sucht Verbündete für
den Wahlkampf 2013. Ob FDP, SPD oder Grüne, hängt von den konkreten
Umständen ab, nicht von einer geistigen Orientierung der CDU.
Seelisch auf der Strecke bleiben bei dieser Nüchternheit diejenigen,
die in der Politik Nestwärme und eine zeitlose Heimat suchen. Merkel
will es nicht ändern. Die Zeiten, und Merkel selber, sind nicht mehr
so.
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