(ots) - Guter Despot, böser Tyrann
Was hat der Despot von Damaskus, was der Tyrann von Tripolis nicht
hat? Obwohl das Assad-Regime in Syrien den Freiheitswillen des
eigenen Volkes genauso mörderisch bekämpft wie Gaddafis Schergen in
Libyen, bekommt der eine vom Westen einen Freibrief für sein
schändliches Tun - der andere muss seinen Kopf vor den Bomben der
Nato einziehen. Während sich die UNO im Fall Gaddafi relativ schnell
auf eine harte Resolution einigen konnte, von der die massiven
Luftschläge gedeckt sind, kam im Fall Assad nur eine
Wischi-Waschi-Erklärung heraus, die den syrischen Herrscher in seinem
Kurs bestätigt. Dass Russland und China ihre schützende Hand nicht
von Assad nehmen wollen, verwundert nicht. Denn das
Menschenrechtsverständnis in Moskau und in Peking unterscheidet sich
nicht groß von dem des arabischen Diktators. Doch das ist nur ein
Teil der Wahrheit. Denn auch Amerikaner und Europäer behandeln Assad
mit Glacéhandschuhen. Anders als das isolierte Libyen, das immer im
Schatten des großen Nachbarn Ägypten stand, ist Syrien ein
bedeutender Machtfaktor in Nahost. Mit 420 000 Soldaten und seiner
Grenze zu Israel hat das Land eine geopolitische Bedeutung. Deshalb
fürchtet man im Westen, dass ein Sturz Assads zu einem gefährlichen
Vakuum führen könnte. Man lässt die Pest im syrischen Haus wüten, um
sich selbst die Cholera vom Leib zu halten. Aus dem Blickwinkel eines
Politstrategen mag diese Logik einleuchten. Aus der Sicht der
arabischen Revolutionäre wirkt sie als Verrat. Denn sie kommt ebenso
zynisch daher wie Assads gestrige Entscheidung, die Gründung neuer
Parteien zu erlauben - während er auf sein Volk schießen lässt. Die
Taktiererei des Westens kann nach hinten losgehen. Vielleicht erkauft
er sich auf Zeit eine trügerische Stabilität. Doch in den Staaten,
die ihre Ben Alis und Mubaraks verjagen konnten, steht die Freiheit
noch auf tönernen Füßen. In Tunesien und in Ägypten kann das Pendel
jederzeit wieder in die andere Richtung schlagen. Eine starke
UN-Resolution gegen Assad würde auch von den alten Eliten in Kairo
und Tunis verstanden, die immer noch an den Machthebeln sitzen.
Von Stefan Stark
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