(ots) - Als ein Spezialkommando der Londoner Polizei am
letzten Donnerstag Mark Duggan erschoss, hätte niemand ahnen können,
in welchem Chaos das Land sich kaum eine Woche später befinden würde.
Duggans Tod war der Auslöser für eine Demonstration im Londoner
Stadtteil Tottenham, die schnell in wüsten Krawall ausartete. Seitdem
will das Land nicht mehr zur Ruhe kommen. Nacht für Nacht brechen
überall in London Unruhen aus. Und auch in einem halben Dutzend
weiterer britischer Städte kam es zu Ausschreitungen. Schnell wird
sich dieser Flächenbrand nicht löschen lassen. Der Tod von Mark
Duggan, einem 29-jährigen Schwarzen, hatte Randalierer in Tottenham
wütend gemacht, weil sie darin Polizeibrutalität und einen weiteren
Übergriff gegen den farbigen Bevölkerungsteil sahen. Noch immer gäbe
es "institutionalisierten Rassismus" bei Scotland Yard, lautet der
Vorwurf. Zugleich weisen Beobachter darauf hin, dass der Protest
soziale Gründe habe: Tottenham gehöre zu den ärmsten Bezirken
Londons. Hier herrschen Bandenkriminalität, Drogenprobleme,
Jugendarbeitslosigkeit. Und der rigorose Sparkurs der Regierung
verschlimmere die Situation - immerhin sei der Jugendetat des Bezirks
um 75 Prozent gekappt worden. Auch der frühere Bürgermeister Londons
Ken Livingstone will eine direkte Verbindung sehen: "Die
Wirtschaftsflaute und die Kürzungen", sagte er, "die von der
konservativen Regierung verhängt werden, schaffen unweigerlich eine
soziale Spaltung". Das mag vielleicht so sein, aber was sich in den
letzten Nächten auf Londons Straßen abspielte, waren keine
Rassenunruhen alten Stils, in denen sich sozial benachteiligte
Jugendliche mit der Polizei prügelten, weil sie sich gegen Rassismus
und Chancenlosigkeit wehrten. Sozial benachteiligt mögen viele von
ihnen immer noch sein, aber diesmal geht es den Randalierern nicht um
den Kampf gegen eine ungerechte Gesellschaft. Ihre Motive sind
eigennütziger. Zum einen ist da das Phänomen des sogenannten
"recreational rioting", des Spaß-Krawalls. "Diese Typen haben einfach
entschieden", befand die "Times", "dass die Randale eine lustige
Alternative zu einem ansonsten langweiligen Sommerabend ist". Zum
anderen, das demonstrieren die regelmäßigen Bilder von Plünderungen,
geht es den zumeist jugendlichen Krawallmachern schlicht um
persönliche Bereicherung. Randale trifft Shopping - auf diese Formel
ließe sich das Ganze bringen. Das bedeutet eine neue und
beunruhigende Qualität im Verhältnis zwischen der Unterklasse und dem
Rest der Gesellschaft, weil es zeigt, wie weit sich die Jugendgangs
von sozialen Normen entfernt haben und wie gewaltbereit sie sind. Und
richtig gefährlich wird es, wenn zu Diebstahl und Plünderei auch noch
Brandstiftung kommt. Regelmäßig gehen ausgeraubte Geschäfte in
Flammen auf, wohl um Spuren zu vernichten. Oft leben über diesen
Läden Mieter. Was zur Zeit in Großbritannien passiert, kann man
getrost als die Herrschaft des Mobs bezeichnen. Auch wenn der nur
klein ist, sind es doch zu viele Randalierer für die Polizei. Mit
ihrem schwarzen Humor hoffen die Briten jetzt auf schlechtes Wetter.
Denn wenn es regnet, so weiß man aus Erfahrung, krawallt es sich
nicht so recht.
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