(ots) - von Oliver Havlat
Die selbsternannten Profi-Enthüller von Wikileaks haben ihren
Laden nicht im Griff. Geheime Dokumente sind, unkontrolliert und
unredigiert, an die Öffentlichkeit geraten. Das wäre allenfalls eine
kleine Meldung - wäre das Ergebnis aus Fahrlässigkeit, unglücklichen
Umständen und schlichten Fehlern im System jetzt nicht mitunter
lebensbedrohlich für viele der Informanten, die die Geheimdienste mit
Meldungen aus totalitären Regimen versorgt haben. Denn die Namen
dieser Informanten finden sich im Klartext in den Dokumenten, die
jetzt auf Tausenden Festplatten von Internetnutzern weltweit
schlummern - und vor allem auch auf den Computern der Geheimdienste
der Regime im Iran, in Afghanistan oder China. Und die werden sich
unzweifelhaft sofort an die Verfolgung der Verräter machen, deren
Namen sie durch die Panne bei Wikileaks praktisch frei Haus
geliefert bekommen haben.
Für Wikileaks ist das eine Katastrophe - in zweifacher Hinsicht.
Denn einerseits müssen sich die Beteiligten nun vorwerfen lassen,
durch ihre spezielle Art von organisierter Verantwortungslosigkeit
Menschenleben aufs Spiel gesetzt zu haben. Betroffen sind alle
Beteiligten: von Gründer Julian Assange über Aussteiger Daniel
Domscheit-Berg, der bei seinem Fortgang den großen Datensatz, der nun
kursiert, mitgenommen hatte, bis hin zu den vielen wohlmeinenden
Helfern, die die Daten fleißig ins Netz kopiert und weiterverteilt
haben, um einer Abschaltung der Wikileaks-Server vorzubeugen.
Und andererseits ist damit das Projekt, das angetreten war, die
Welt ein Stück transparenter zu machen und den Mächtigen auf die
Finger zu schauen, am Ende. Denn "Whistleblower"-Plattformen wie die
Leaks-Projekte leben vom Vertrauen der Insider, die Informationen
dort bereitstellen - aber sichergehen müssen, unerkannt zu bleiben.
Das Vertrauen ist nun wohl endgültig verspielt. Vielleicht ist das
aber auch gut so.
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Oliver Havlat
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