(ots) - Im Leben eines Menschen gibt es nur wenige
Ereignisse, die sich ganz tief im Innersten einprägen. So sehr, dass
man auch nach vielen Jahren noch exakt den Verlauf dieses
Schicksalstages rekapitulieren kann. Dazu zählen die Terroranschläge
des 11. September 2001. Wer damals am Fernseher fassungslos zusah,
wie die mächtigen Zwillingstürme des World Trade Centers in sich
zusammenstürzten, wird sich immer wieder mit Schaudern an diese
unheilvollen Stunden erinnern. Und wer schon vor zehn Jahren böse
Vorahnungen hatte, dass die Kamikaze-Angriffe auf das Herz Amerikas
die bis dahin bekannte Weltordnung zerstören würden, sieht sich heute
in seinen schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Eine ganze Dekade
dauerte die Jagd auf den Erzterroristen Osama bin Laden. Doch nur
kurz währte der Jubel in den USA, den Präsident Barack Obama nach der
Tötungsaktion im pakistanischen Abbottabad auskosten konnte. Zwar
haben US-Elitesoldaten den Drahtzieher der Anschläge endlich zur
Strecke gebracht. Die sterblichen Ãœberreste des Al-Kaida-Chefs sind
längst auf dem Meeresgrund verrottet. Aber heute wird deutlicher denn
je, dass der Pate des Terrors über den Tod hinaus triumphieren kann.
Er hat nämlich alle seine wesentlichen Ziele erreicht: Zum einen, so
viele Menschen wie möglich zu töten. Was als Massaker an unschuldigen
Zivilisten in Amerika begann, weitete sich in den folgenden Jahren zu
einer Orgie des Mordens im Irak und in Afghanistan aus, der zahllose
Menschen - auch deutsche Soldaten - zum Opfer fielen. Das andere Ziel
Osama bin Ladens war es, die USA in den Bankrott zu treiben. Auch das
ist ihm gründlich gelungen. Der unglückselige Präsident George W.
Bush jun. ging dem Oberschurken auf den Leim und führte Amerika
gleich in zwei Kriege, die das Land finanziell ruinierten. Die
Quittung dafür bekommt jetzt ausgerechnet der als Versöhner
angetretene Obama präsentiert. Die Überschuldung des Landes wegen der
ausufernden Kriegsmaschinerie, die daraus resultierende
Handlungsunfähigkeit des Staates im Inneren und die sich gleichzeitig
verschärfenden sozialen Probleme in den USA werden ihn aus dem Weißen
Haus katapultieren, wenn ihm in den nächsten zwölf Monaten nicht noch
Wunder gelingen. Ansonsten würde Osama bin Laden posthum auch noch
den erledigen, der ihn selbst zur Strecke brachte - welch bittere
Ironie. Doch egal, wie der nächste US-Präsident heißen wird: Er wird
sich damit abfinden müssen, dass Amerika auch als letzte verbliebene
militärische Supermacht von der internationalen Bühne abtritt. Beim
Nato-Einsatz in Libyen wurde erstmals klar, dass Amerika als
Weltpolizist inzwischen an seine - finanziellen - Grenzen stößt. Die
Bombenangriffe überließ Washington den Verbündeten. Gleichzeitig
lautet Obamas Parole für den Irak und Afghanistan: nichts wie raus!
Das ist zwar auch der Kriegsmüdigkeit im eigenen Land geschuldet,
viel mehr jedoch der Erkenntnis, dass Amerika derart aufwändige
Militäreinsätze nicht mehr bezahlen kann. Darüber hinaus haben sich
die USA auch noch moralisch diskreditiert. Das Land der Zuversicht
und der Demokratie hat die hehren Ideale getauscht gegen Brutalität
und Barbarei. Das zeigen die Folterexzesse und die Willkürjustiz im
Lager Guantanamo oder im Gefängnis von Abu Ghoreib auf beschämende
Weise. Gleichzeitig nimmt der Ãœberwachungswahn der
Sicherheitsbehörden paranoide Züge an und raubt den eigenen Bürgern
immer mehr Freiheiten. Das Gift der Al Kaida wirkt schleichend, aber
auch nach Jahren noch. Alle Länder müssen von den Erfahrungen der
Amerikaner lernen. Wir dürfen nicht Menschenrechte und
Rechtsstaatlichkeit im Namen des Anti-Terror-Kampfes aushebeln. Denn
wenn demokratische Staaten auf Mittel setzen, die ansonsten nur die
schlimmsten Schurken gutheißen, schenken wir Osama bin Laden auf
ganzer Linie den Sieg. Diesen finalen Triumph sollten wir ihm nicht
gönnen.
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