(ots) - Was immer in Berlin geschieht, hat Auswirkungen
auch auf ganz Deutschland. So hat denn das Ergebnis der
Abgeordnetenhauswahl die Bundespolitik noch einmal kräftig
aufgemischt. Darf sich die CDU darüber freuen, dass die wieder
geeinten Berliner Parteifreunde am Ende des Superwahljahrs das
einzige Plus für die Union verbuchen können, breitet sich unter den
Liberalen weiter Entsetzen aus. So wird das Berliner Wahlergebnis für
die Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem
zwiespältigen. Erleichterung über den gestoppten Negativtrend, aber
wachsende Sorge über das weitere Handeln des zum Abgrund hin
taumelnden Koalitionspartners. In der Hauptstadt hat die FDP auch der
verzweifelte Versuch nicht gerettet, die antieuropäische Karte
auszuspielen. Sie muss daraus auch im Bund die Konsequenzen ziehen.
Die Berliner haben per Wahlzettel die Richtung gewiesen. In einer so
zentralen Frage wie der Zukunft des Euro und damit Europas darf es in
der Bundesregierung keinen grundlegenden Dissens geben. Wird der
nicht endlich ausgeräumt, nimmt nicht allein die FDP weiter Schaden,
sondern Deutschland insgesamt. Oder will es die FDP ernsthaft auf
einen Bruch der Koalition ankommen lassen. Wer soll davon
profitieren? Die FDP würde endgültig im Abgrund landen. Die Kanzlerin
andererseits müsste die SPD um Hilfe anbetteln, bis auch sie und ihre
Partei nach Verabschiedung eines neuen Wahlrechts mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit spätestens 2013 abgewählt werden.
Vorzeitige Neuwahlen sind dagegen nicht in Sicht. Das
Bundesverfassungsgericht hat das gegenwärtige Wahlrecht für
verfassungswidrig (Verrechnung der Überhangmandate) erklärt und ein
konformes bis zur nächsten Bundestagswahl gefordert. Selbst über
dessen Inhalt streiten Christdemokraten und Liberale seit Monaten. So
sind SPD und Grüne weiter in Lauerstellung. Das Signal aus Berlin
steht für sie allerdings nicht so eindeutig auf Vorfahrt wie erhofft.
Wenn selbst im Berliner gesellschaftspolitischen Milieu Rot-Grün nur
eine knappe Mehrheit erreicht, dämpft das allzu große
Siegeszuversicht beim nächsten bundesweiten Entscheid. Darüber müssen
die Grünen noch intensiver nachdenken als die Sozialdemokraten. Ihr
Steigflug, angetrieben vor allem durch die japanische Atom- und
Umweltkatastrophe, hat an Schub deutlich verloren. Und mit der
Piratenpartei droht ihr auch bundespolitisch ein ernsthafter
Konkurrent. Die SPD dagegen könnte sich, wenn's für Rot-Grün im Bund
nicht reicht, mit einer Koalition mit der CDU trösten. Aber vorerst
hoffen das Trio Gabriel, Steinbrück, Steinmeier und der durch die
Niederlage von Renate Künast gestärkte Trittin auf eine rot-grüne
Vorlage aus Berlin. Bundespolitische Erwartungen allerdings darf die
Berliner SPD nicht über die Interessen der Stadt stellen. Deshalb
muss sie auch mit der CDU ernsthaft über Koalitionsmöglichkeiten
verhandeln. Mit dem vorrangigen Ziel, die Wirtschaftkraft der Stadt
zu stärken. Das sollte Klaus Wowereit umso leichter fallen, da seine
mögliche Hoffnung auf eine Kanzlerkandidatur nach diesem Wahlergebnis
nicht länger trägt.
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