(firmenpresse) - Frankfurt am Main/Bonn/Stuttgart â Ăber soziale Netzwerke sei die Macht der Kunden gestĂ€rkt worden, so der Tenor des Frankfurter Fachkongresses Contact Center Trends http://www.contactcenter-trends.de/. Die werbliche Botschaft, dass der Kunde König sei, werde durch die Möglichkeiten der Selbstorganisation in sozialen Netzwerken RealitĂ€t. Unternehmen und Kunden begegnen sich auf Augenhöhe. Das liege auch an der Unberechenbarkeit des Netzes: âWas im Internet ablĂ€uft, ist spontan und kann von Unternehmen nicht beherrscht werden. Da stehen die Mitarbeiter im Kundenservice vor ganz anderen Herausforderungen. Ein Skript zur Beantwortung von Anfragen reicht nicht mehr aus. Man muss sehr viel selbstĂ€ndiger agierenâ, sagt authensis-Vorstand Klaus-J. Zschaage von der Brancheninitiative Contact Center Network. Social Media sei kein Kanal, wie man ihn aus der klassischen Kundenkommunikation via E-Mail, Telefon oder Brief kenne. âDie Rolle der sozialen Netzwerke im Service-Management muss erst noch gefunden werden. Es geht mehr um Beobachtung als um direkte Kommunikation. Es hat keinen Zweck, im Social Web einen Kanal aufzumachen, den ich systematisch bearbeite. Dazu braucht man Kontrolle, die ist im Netz aber nicht vorhandenâ, erlĂ€utert Zschaage. Wer in Web 2.0-Fachdiskussionen von Kanal spreche, wecke die Illusion eines beherrschbaren Sender-EmpfĂ€nger-Modells.
Social Media-Plattformen sind keine steuerbaren KanÀle
âDas ist irrefĂŒhrend. Kanal hat etwas mit kanalisieren zu tun. Social Media-Plattformen sind etwas völlig anderes. Bei einem Kanal kann ich die Schleuse auf oder zu machen. In sozialen Netzwerken ist das nicht möglichâ, meint der Call Center-Experte Zschaage http://www.youtube.com/watch?v=Kb7ZuvBT5sQ. So sehr die Macht des Kunden im Netz wĂ€chst, so problematisch ist das VerhĂ€ltnis der Social Web-Anbieter im Umgang mit seinen Nutzern. Wir seien eben nicht die Kunden von Google, Facebook und Co., moniert der Datenschutz-Experte Jon Callas in einem Gastbeitrag fĂŒr die Wochenzeitung âDie Zeitâ. Wir wĂŒrden nicht fĂŒr ihre Dienste bezahlen. Die Kunden seien Unternehmen, die Anzeigen in ihren Diensten schalten.
âDiese Unternehmen kaufen: uns â unser Hinschauen, unsere Aufmerksamkeit. Wir sind das Produktâ, so Callas. Als Nutzer werde man bei Laune gehalten, sodass wir bisweilen dem Glauben anheimfallen, wir seien tatsĂ€chlich Kunden. âWer allerdings mit der Löschung seiner virtuellen Existenz bedroht wird, dem Zwang zur Verwendung seines wirklichen Namens unterliegt oder genau wissen möchte, was mit den eigenen Daten geschieht, bekommt sehr schnell mit, dass die Internet-Giganten uns nicht als Kunden betrachtenâ, so die Erfahrung des Netzwerkspezialisten Bernd Stahl von Nash Technologies http://www.nashtech.com/.
Werbefinanzierung oder personalisierte Services seien nichts Teuflisches. âProblematisch ist das vom Spiegel-Redakteur Christian Stöcker skizzierte Szenario. Von der kalifornischen Idee der elektronischen Agora und der Befreiung von staatlichen Hierarchien und privaten Monopolen verabschieden wir uns geradeâ, kritisiert Stahl. Dabei hatte 1994 Keven Kelly in seinem Buch âOut of Control" postuliert, dass wir eine Ăra der dezentralen Organisationen erleben werden. Auch der Futurologe Toffler irrte. Im Cyberspace werde ein Markt nach dem anderen von einem natĂŒrlichen Monopol in einen verwandelt, in dem Wettbewerb die Regel ist. âDas Internet hat bis jetzt aber nur einen dominanten EinzelhĂ€ndler: Amazon. Einen dominanten Markt fĂŒr Musik und Filme: iTunes. Ein dominantes Auktionshaus: Ebay. Ein dominantes Social Network: Facebook. Und eine dominante Suchmaschine: Google. Und nicht zu vergessen die Tochter Youtube als dominante Plattform fĂŒr Videos. Ein freies und offenes Netz sieht anders ausâ, schreibt Stöcker in seinem Buch âNerd Attackâ.
Internetnutzer sind kein manipulierbares Vieh
Und was passiert, wenn diese Monopolisten zu ErfĂŒllungsgehilfen von staatlichen Ăberwachungs- und KontrollwĂŒnschen werden. Wie könnte man also ein dezentrales, offenes und sicheres Internet schaffen unter Bewahrung der NetzneutralitĂ€t? âGenau mit diesen Fragen muss man sich jetzt beschĂ€ftigen und nicht mit unsinnigen Exkursen ĂŒber die vermeintlichen Stasi-Methoden von Web-Dienstleistern wie Facebook oder Google. âIm Netz herrscht, ob wir wollen oder nicht, die totale Transparenz. Die Handlungsempfehlung ist fast so alt wie das Internet. Schreibe nichts in eine Mail, was Du nicht auch auf eine Postkarte schreiben wĂŒrdest. Das haben wir schon in den 90er Jahren gesagt, als das Internet aus der Kindergrippe kam. Der Satz war vielleicht nicht radikal genug formuliert. Heute mĂŒsste man es anders sagen. Gehe davon aus, dass alles, was Du sagst, schreibst oder sogar denkst, im Internet auftauchen wirdâ, mahnte der Publizist Tim Cole in seiner Contact Center Trends-Rede in der Frankfurter Commerzbank-Arena.
Die Kritiker, die vor der Manipulationskraft von Algorithmen, Suchmaschinen oder Social Media-Dienstleister warnen, wĂŒrden ein sehr mechanistisches Weltbild der Informationsgesellschaft vertreten. âĂberflutet die Internet-Nutzer nur lange genug mit Informationen und sie werden aufhören selbstĂ€ndig zu denken und fremdgesteuert durchs Leben torkeln. Die BedenkentrĂ€ger können sich offenbar nicht vorstellen, dass Menschen sehr wohl die FĂ€higkeit besitzen, haarscharf zwischen relevanten und irrelevanten Informationen zu unterscheiden. Die Kulturpessimisten sehen die Menschen als Vieh, das nur wiederkĂ€ut und ansonsten sich von medialen Hirten vorantreiben lĂ€sst in eine ungewisse Zukunftâ, erlĂ€uterte Cole in der Main-Metropole http://www.youtube.com/watch?v=P6EZBollDY0.
Völlig kontraproduktiv sei nach Auffassung von Bernd Stahl der Gedanke von Jon Callas, die natĂŒrlichen Monopole wie Google und Facebook zu verstaatlichen, da sie sich zu Grundversorgungsunternehmen entwickeln: âEin privates Monopol durch ein staatliches zu ersetzen, Ă€ndert nichts an der Tendenz zu Machtmissbrauch, AnmaĂung und Kundenmissachtung. Das dĂŒrfte jedem noch bekannt sein aus den Zeiten des Telefonmonopols der Deutschen Post mit dem legendĂ€ren Werbespruch âFasse Dich kurzâ. Auch ist der Staat als HĂŒter des Datenschutzes nicht gerade ein verlĂ€sslicher Partner. In der Telekommunikation hat man die Monopole mit so genannten Peering-Technologien gebrochen. Ăhnliches muss jetzt auch im Internet geschehen â beispielsweise ĂŒber semantische Portale. Wir mĂŒssen wieder fĂŒr eine multipolare Welt des Wettbewerbs und der Ideen im Netz sorgen.â
Siehe auch:
Interview mit dem Netzwerkspezialisten Bernd Stahl von Nash Technologies ĂŒber die Notwendigkeit dezentraler Netze. http://soundcloud.com/gsohn/google
Gelernter und die Kritik an lausiger Software. http://gunnarsohn.wordpress.com/2011/09/29/gelernter-und-die-kritik-an-lausiger-software-cct11/
von Gunnar Sohn