(ots) - Giorgos Papandreou hat Europa gegen sich
aufgebracht. Wider allen Ratschlägen hatte er im Alleingang und im
Namen der Demokratie verkündet, dem meuternden Volk das letzte Wort
über die Zukunft Griechenlands zu überlassen. Mittlerweile wähnt er
immerhin seine Regierung wieder hinter sich, mit der er sich
zusammenraufte. Ãœber den Sieg bei der Vertrauensfrage an seine
Regierung zeigte er sich gestern ziemlich sicher. Mit diesem
Selbstbewusstsein ging er nach Cannes, wo er sich am Abend vor der
"Frankfurter Runde" verantworten musste. Hinter geschlossenen Türen.
Für die Ohren der Welt und der Finanzmärkte wird es danach vermutlich
noch einmal heißen, dass alle mit Hochdruck weiter das Rettungspaket
ausarbeiten, was sicher das Beste für Griechenland sei. Und dass sie
darauf vertrauten, dass die Griechen die Sparpläne einhielten. Wann
er die Frage ans Volk stellt und wie sie lautet, fragten die
Euroretter Papandreou sicherlich sehr eindringlich in Cannes, wo sich
heute die Industrienationen treffen, um über Geld zu sprechen.
Industrienationen, die die markterschütternde Überraschung des
Griechen irritierte. Die Geldgeber sind verschreckt: Stirnrunzelnd
sind die Banken zurückgewichen. Erst einmal den Schuldenschnitt
vorbereiten, langsam. Dann weitersehen, was das Volk will. Die
europäischen Staats- und Regierungschefs, treffen sich alle paar
Tage, um ihre Währung zu retten und reden offenbar trotzdem nicht
ausreichend miteinander, vertrauen sich nicht alles an, geben dem
Franzosen immer wieder Grund zum Ausrasten. Bevor sich jemand auf
einen Handel mit Rettungsfondspapieren einlässt, muss den Europäern
erst einmal klar werden, was sie wollen - und dabei bleiben. Ein
Volksentscheid mag dafür ein gutes Mittel sein. Denn wem nützt es,
wenn Griechenland am milliardenschweren Rettungstropf hängt, doch das
Volk weiter auf die Straßen geht und jegliche Mitarbeit an der
Staatssanierung verweigert? Der Entscheid bindet es ein. Es war
sicher kein kluger Schachzug von Papandreou jetzt erst mit einer
Volksabstimmung zu kommen. Wer weiß, wie die Verhandlungen der
letzten Woche verlaufen wären, wenn alle gewusst hätten, dass die
griechischen Bürger noch zustimmen müssen. Jetzt bleibt schon wieder
alles anders. Doch es wirkt auch nur menschlich und mutig, wenn
jemand, auf dem so viel Druck lastet, nach einer weiteren schlaflosen
Nacht entscheidet, was er offenbar schon länger in seinem Kopf hin
und her gewälzt hat. Scheinbar wollte Papandreou wieder guten
Gewissens in den Spiegel blicken, statt weiter als Marionette des
ausländischen Spardiktats verschrien zu sein. Papandreou will sich
vor dem nächsten Schritt des Vertrauens der Bürger und seiner
Regierung sicher sein. Da ist es doch nur legitim, dass er sich das
"Okay" von beiden holt. Oder er gibt das Steuer ab und wird zu einer
weiteren "tragischen Figur" im Rettungsreigen. Gewinnt Papandreou das
Vertrauen, haben die Griechen bis zum Referendum Zeit, sich über den
Weg aus dem Schuldenloch klar zu werden. Das Rettungspaket scheint
auf den ersten Blick die beste Lösung für alle zu sein. Doch ließen
die Griechen damit auch zu, dass EU-Sparprüfer ihnen von nun an über
die Schultern schauen und auf die Finger hauen, falls sie hier nicht
genug sparen und dort nicht genug Steuern eintreiben. Löhne müssten
gesenkt und Renten gekürzt werden. Griechenland als Besatzungszone
der EU-Finanzkontrolleure. Diktierte Disziplin aus Brüssel in einem
durch Steuerhinterziehung, Rentenbetrug und Schmiergeld ruinierten
Land. Ein griechisches "Nein" hieße, den Euro hinter sich zu lassen.
Hinein in eine ungewisse Zukunft mit Konkurs und Drachme. Mit ihrem
Votum übernehmen die Leute in Griechenland Verantwortung, statt über
"die da oben" länger zu schimpfen. Europa bedeutet auch Demokratie
und vor der sollten Bürger, Medien und Politiker die Nase nicht
rümpfen.
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