(ots) - Mit der Entscheidung, bis Ende 2014 sämtliche
Kampftruppen aus Afghanistan abzuziehen, hat sich die internationale
Gemeinschaft unter Druck gesetzt. Die Truppensteller von den USA bis
Europa sind des Krieges müde, die Regierungen finden bei ihren
Bürgern keinen Rückhalt mehr für den Einsatz am fernen Hindukusch.
Sollen die in den zehn Jahren des Einsatzes erreichten Fortschritte
aber nicht in den Wirren eines neuerlichen Bürgerkrieges untergehen,
muss ein Konzept her für die Zeit nach dem Ende der militärischen
Mission. Das sollte die Afghanistan-Konferenz in Bonn liefern. Mehr
als 100 Delegationen sind der gemeinsamen Einladung von afghanischer
und deutscher Regierung gefolgt, um sich auf zwei Ziele zu
verpflichten. Erstens soll den Afghanen versprochen werden, dass der
Truppenabzug nicht auch das Ende des Engagements insgesamt bedeutet.
Das Land soll weiter mit Geld und militärischer Ausbildungshilfe
unterstützt werden. Das wird in Form einer Absichtserklärung aller
Voraussicht nach beschlossen werden. Zweitens gilt es, den
politischen Prozess der Aussöhnung zwischen afghanischer Regierung
und aufständischen Taliban endlich in Gang zu bringen. Dieser ohnehin
wenig aussichtsreiche Plan ist mit der Absage Pakistans schon vor
Beginn der Konferenz gescheitert. Denn ein Aussöhnungsprozess ist
ohne die Kooperation der Nachbarstaaten nicht denkbar. Und der
wichtigste Nachbar heißt Pakistan. Führende Zellen der Aufständischen
wie die Quetta-Schura oder das Haqqani-Netzwerk haben dort ihre
Operationsbasen. Teile von pakistanischem Militär und Geheimdienst
nutzen die Taliban als Instrument zur Durchsetzung ihrer Interessen.
Hält Islamabad also an seinem angekündigten Boykott der Konferenz
fest, bleibt der politische Prozess, was er ist: ein diplomatischer
Wunsch. Für die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Guido
Westerwelle, der sich den Erfolg der Aussöhnung zu einem persönlichen
Anliegen gemacht hat, ist das ein schwerer Rückschlag. Monatelang
reiste sein Afghanistan-Beauftragter Michael Steiner durch die Welt,
um die Bonner Konferenz vorzubereiten. Westerwelle selbst machte sich
vor Wochenfrist noch nach Pakistan auf, um die Machthaber dort zur
Kooperation zu bewegen. Nun muss der Außenminister erkennen, dass die
deutschen Einflussmöglichkeiten auf die Nebenrolle eines gutwilligen
Vermittlers beschränkt sind. Die Hauptrollen spielen Afghanistan,
Pakistan und die USA. Und das Verhältnis der beiden Letzten ist nicht
erst seit dem jüngsten Nato-Angriff auf einen pakistanischen
Grenzposten zerrüttet. Spätestens seit der Kommandoaktion
amerikanischer Elitesoldaten zur Tötung Osama bin Ladens ohne
Abstimmung mit Islamabad herrscht tiefes Misstrauen zwischen den
offiziell verbündeten Partnern USA und Pakistan. Für Bonn, also die
größte Konferenz, die das Auswärtige Amt je organisiert hat, bedeutet
das: Statt über die Zukunft zu reden, wird man sich mit
Krisenmanagement beschäftigen müssen. Es manifestiert sich die
bittere Einsicht: Fest steht nur der Beschluss zum Truppenabzug. Für
die Zeit danach gilt allein das Prinzip Hoffnung.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd(at)axelspringer.de