(ots) - Israelische Behörden haben die rechtwidrige
Zerstörung palästinensischer Häuser im Westjordanland inklusive
Ostjerusalem in diesem Jahr deutlich forciert. Die Folge war, dass in
diesem Jahr deutlich mehr palästinensische Familien aus ihren Häusern
vertrieben wurden als in den Jahren zuvor. Dies stellte heute eine
internationale Koalition von 20 Hilfs- und
Menschenrechtsorganisationen fest. Anlass ist das heutige Treffen des
Nahost-Quartetts (1) in Jerusalem, das eine Wiederaufnahme von
Friedensgesprächen zum Ziel hat.
Die drastische Zunahme von Häuserabrissen 2011 geht einher mit dem
beschleunigten Ausbau israelischer Siedlungen und einer Eskalation
gewalttätiger Übergriffe seitens israelischer Siedler.
Die Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen, darunter medico
international, Amnesty und Oxfam, rufen das Nahost-Quartett dazu auf,
allen Konfliktparteien die Notwendigkeit deutlich zu machen, ihre
völkerrechtlichen Verpflichtungen einzuhalten. Das Quartett müsse die
israelische Regierung dazu drängen, unverzüglich ihre aktuelle
Siedlungspolitik zu korrigieren und die völkerrechtswidrige
Zerstörung palästinensischer Häuser einzustellen.
"Der beschleunigte Ausbau der Siedlungen und die Zerstörungen von
Häusern bringen die palästinensische Bevölkerung an den Rand der
Verzweiflung, vernichten ihre Lebensgrundlagen und auch die
Aussichten auf einen gerechten und dauerhaften Frieden. Es besteht
eine Diskrepanz zwischen den Diskussionen des Quartetts und der
Situation vor Ort. Das Quartett muss seinen Ansatz auf den Prüfstand
stellen und zeigen, dass es für die Verbesserung der Lebenssituation
von Palästinensern und Israelis tatsächlich etwas bewirken kann", so
Paul Bendix, Geschäftsführer von Oxfam Deutschland.
"Das Quartett sollte den Siedlungsausbau und die Zerstörungen von
Wohnhäusern beim Namen nennen: Es handelt sich um Verstöße gegen das
Völkerrecht, die Israel beenden muss", so Tsafrir Cohen,
Nahostreferent von medico international.
"Israels Verstöße zeigen, dass die aktuelle Strategie des
Nahost-Quartetts gescheitert ist. Es ist an der Zeit, dass das
Quartett die Bedeutung des Völkerrechts für eine gerechte und
dauerhafte Lösung des Konflikts anerkennt", sagt Philip Luther,
Amnesty-Experte für Nordafrika und den Nahen Osten im Internationalen
Sekretariat in London.
Folgende Zahlen veranschaulichen die sich rasch verschlechternde
Situation:
- Verdopplung der Zahl von Vertreibungen: Seit Beginn diesen
Jahres wurden mehr als 500 palästinensische Häuser, Brunnen,
Regenwasserzisternen und andere Bauwerke im Westjordanland inklusive
Ostjerusalem zerstört. Nach UN-Angaben wurden dadurch über 1.000
Palästinenser vertrieben, mehr als doppelt so viele wie 2010, und
gleichzeitig die höchste Zahl an Vertreibungen pro Jahr seit 2005
(2). Mehr als die Hälfte der Vertriebenen waren Kinder, für die der
Verlust ihrer Heimat besonders traumatisch ist.
- Beschleunigter Siedlungsausbau: In den letzten zwölf Monaten
wurden Pläne für rund 4.000 neue Häuser für Siedler in Ostjerusalem
genehmigt - die höchste Zahl seit mindestens 2006 (3). Zusätzlich
verkündete Israel im November Pläne, den Bau von 2.000 weiteren
Häusern im Westjordanland inklusive Ostjerusalem zu beschleunigen.
- Starke Zunahme von Siedlergewalt: 2011 stieg nach UN-Angaben die
Anzahl gewalttätiger Übergriffe israelischer Siedler auf
Palästinenser um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, verglichen mit
2009 sogar um 160 Prozent. Das Jahr 2011 war das Jahr mit den meisten
gewalttätigen Übergriffen durch Siedler seit 2005 (4). Siedler haben
zudem rund 10.000 Oliven- und andere Bäume von Palästinensern
zerstört oder beschädigt und damit die Lebensgrundlagen hunderter
Familien beeinträchtigt. Die Angreifer können praktisch ungestraft
handeln: Über 90 Prozent der Beschwerden über Siedlergewalt zwischen
2005 und 2010 wurden von der israelischen Polizei ohne
Anklageerhebung fallen gelassen (5).
- Drohende Vertreibungen von Beduinen: Bis zu 2.300 Beduinen in
den Umland von Jerusalem droht eine gewaltsame und rechtswidrige
Vertreibung, wenn die israelischen Behörden ihre für 2012
angekündigten Pläne umsetzen. Dadurch verlören die Beduinen ihre
Lebensgrundlagen und wären gezwungen, ihre traditionelle Lebensweise
aufzugeben. Ebenfalls drohen für Gemeinschaften im Jordantal
Probleme, wenn der Siedlungsausbau dort weiter vorangetrieben wird.
Die NGO-Koalition besteht aus: Amnesty International, Avaaz,
Broederlijk Delen, CCFD-Terre Solidaire, Church of Sweden, CNCD -
11.11.11, Christian Aid, DanChurchAid, Diakonia, Euro-Mediterranean
Human Rights Network, FIDH, FinnChurchAid, GVC Italia, Human Rights
Watch, Medical Aid for Palestinians, medico international, Norwegian
People's Aid, Oxfam International, Polish Humanitarian Action,
Trócaire.
Anmerkungen:
1. USA, EU, VN & Russland
2. S. jüngste Zahlen der VN (OCHA)
3. S. Daten von Peace Now
4. S. Daten der VN (OCHA)
5. S. Yesh Din Report, Feb 2011
Pressekontakt:
Amnesty International: presse(at)amnesty.de, Tel.: 030-420248306
medico international: Tsafrir Cohen, Nahostreferent, Tel
0163-3904373, tc(at)medico.de
Oxfam: Svenja Koch, Tel.: 030-45306950, skoch(at)oxfam.de