(ots) - Seltsame Zeiten sind das, in denen der Besuch eines
französischen Staatspräsidenten Alltagsgefühle in Berlin auslöst.
Tatsächlich aber ist es so. Nachdem uns in einer gefühlt nicht enden
wollenden Zeit zwischen den Jahren die Absonderlichkeiten in und um
Schloss Bellevue beschäftigten, kehrt nun die traurige Routine der
Euro-Rettung in die Schlagzeilen zurück. Gestern traf Angela Merkel
Nicolas Sarkozy, heute empfängt sie die Chefin des Internationalen
Währungsfonds, Christine Lagarde, morgen dann den italienischen
Premierminister Mario Monti. Der Kampf um die gemeinsame Währung ist
auf der Bühne vor allem ein nie endender Reigen von Politikertreffen,
bilateral oder alle gemeinsam bei einem Gipfel in Brüssel, wie schon
bald wieder. Bringt das eigentlich etwas? Die Frage ist nicht dumm
oder frech. Sie drängt sich sogar auf, wenn man erlebt, wie Sarkozy
einen Deutschlandbesuch als Ereignis in seinem Wahlkampf inszeniert.
In April schon muss er in die erste Runde der Abstimmung, im Mai dann
fällt die Entscheidung, ob der quirlige Instinktpolitiker auch weiter
im Elysée-Palast wirbeln darf. Entsprechend hochtourig fährt Sarkozy
gerade: Eine Steuer auf alle Börsengeschäfte will er einführen,
notfalls auch nur in der Euro-Zone oder nur in Frankreich - obwohl
der große europäische Finanzplatz London ist. Wachstum soll die EU
jetzt durch staatliche Initiativen schaffen - obwohl die Krise doch
im Kern auf öffentliche Überschuldung zurückzuführen ist. Das
Bundeskanzleramt als französische Wahlkampfarena - die
Bundeskanzlerin stand lächelnd daneben und wies darauf hin, dass man
doch eigentlich konsolidieren müsse. Sie tat das eher leise, denn sie
wollte auf diesem Treffen vor allem Einigkeit demonstrieren. Die
nimmt man den beiden mittlerweile ab. Aus zwei Politikern, die sehr
unterschiedlich ticken, einander früher persönlich gar nicht leiden
konnten und die - Ironie der Geschichte - in ihren Ländern als
ausgesprochene Atlantiker galten, ist in der Krise tatsächlich die
europäische Achse schlechthin geworden. Zwar nicht "Merkozy", wie die
Berichterstatter übertreiben - verschmolzen sind die deutschen und
französischen Interessen keineswegs, dafür sind die beiden großen
Länder immer noch zu verschieden. Aber sie funktionieren in der Krise
immerhin als verlässliches Gespann. Wobei Angela Merkel den Wegfall
des liberalen Großbritanniens als drittem starkem Partner und
Korrektiv stärker bedauert als Sarkozy. Es stimmt also: Merkel und
Sarkozy sind sich wirklich einig. Die Frage ist nur: worin? Aktuell
versucht Merkel die Euro-Zone mit neuen Regeln zu einer soliden
Finanzpolitik für die Zukunft zu erziehen. Bringt das schon die
Investoren in der Gegenwart zurück? Sind wir ehrlich, geben wir zu:
Mit anderen deutschen Erziehungsmaßnahmen, wie der
Gläubigerbeteiligung in Griechenland, hat Europa ziemlichen
Schiffbruch erlitten. Doch auch die von Frankreich propagierte
gemeinschaftliche Haftung hat bisher nach einem großen Rettungsschirm
nur immer einen noch größeren Rettungsschirm notwendig gemacht. Die
Kanzlerin sagt, sie fahre auf Sicht. Das liegt wohl weniger weit vom
Stochern im Nebel, als wir hoffen.
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