(ots) - In Libyen begann der Aufstand gegen Gaddafi vor
ziemlich genau einem Jahr. Es dauerte nur wenige Wochen, bis die Nato
eingriff. In Syrien begann der Aufstand gegen Assad ebenfalls vor
ziemlich genau einem Jahr. Bis heute kämpfen die Rebellen alleine. Im
Falle Libyen begründete die Nato ihr Eingreifen damit, dass Gaddafi
in Bengasi ein Massaker unter den dort in die Enge getriebenen
Rebellen veranstalten wollte. Im Falle Syrien dringen zahllose
Berichte über ein zumindest massakerähnliches Vorgehen Baschir
al-Assads an die Öffentlichkeit. Die Nato sieht trotzdem keinen Grund
zum Eingreifen. Das hat so manche Gründe. Man wollte zum Beispiel die
Arabische Liga zwingen (oder ihr die Chance geben), endlich einmal
aktiv regionale Verantwortung für den Frieden zu übernehmen. Die Liga
hat nun freilich ihre Beobachtermission wegen überhandnehmender
Gewalt ausgesetzt. Das ist auch kein Wunder, denn unter der
Oberfläche eines "Staates Syrien" gibt es zahllose religiöse und
ethnische Faktoren, die die Nachbarn zögern lassen, den
Schiedsrichter zu spielen. Die Nato ist offenkundig auch nicht
erpicht darauf, im Schnittpunkt der Länder Türkei, Israel, Irak und
Iran militärisch aktiv zu werden. Die Region ist politisch zu heiß.
Man kann sich dort die Finger verbrennen und in Situationen kommen,
aus denen herauszufinden weitaus schwerer ist, als mutwillig in sie
hineinzugeraten. Die Rebellen schaffen es aber anscheinend auch ohne
westliche Hilfe, Assad zu stürzen. Es wird offenbar bereits in
Damaskus gekämpft. Wenn Assad stürzt, werden die Muslimbrüder auch in
Syrien eine große Rolle spielen. Sie haben seit Anfang der 80er-Jahre
auf diesen Tag hin gelebt - seit der Muslim-Revolte in der Stadt
Hama. Die ließ Assads Vater damals brutal niederschlagen, es gab
Tausende Tote. Wenn Assads Sohn stürzt, und es kann bald so weit
sein, ist Israel fast nur noch von islamistischen Ländern umgeben.
Das ist für Deutschland ein Grund, sich Sorgen zu machen. Angela
Merkel hat gesagt: Israels Sicherheit ist Teil der deutschen
Staatsräson. Sie hat damit gemeint: Nach Auschwitz kann Deutschland
nicht einfach zuschauen, wenn sechs Millionen Juden in Israel Angst
um ihre Zukunft bekommen. Merkel hat zugleich in immer dringenderem
Ton Israel gebeten, den Neubau jüdischer Siedlungen auf den 1967
eroberten palästinensischen Gebieten auszusetzen. Sie hat das getan,
weil die vorbehaltlose deutsche Unterstützung Israels kein
politischer Blankoscheck für Premier Benjamin Netanjahu sein kann,
jetzt noch schnell diese oder jene Siedlung zu genehmigen. Die
Siedlungen haben militärisch Sinn, aber haben einen politischen
Preis. Es wird deshalb Zeit, ein Konzept dafür zu entwickeln, wie der
"arabische Frühling" und Israels Sicherheit zusammenpassen.
Außenminister Westerwelle und Entwicklungshilfeminister Niebel fahren
nicht ohne Grund diese Woche nach Jordanien und Israel: Jordanien ist
Israels letzter gemäßigter Nachbar, in Palästina stehen die Dinge auf
Spitz und Knopf. Westerwelle will ausloten, wie weit Berlin sich mit
Forderungen nach Verhandlungen vorwagen kann - damit nicht auch noch
Jordanien im Chaos versinkt.
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