(ots) - Der Hamburger Senat und das Bezirksamt
Hamburg-Mitte waren offenbar schon länger und umfangreicher über
Missstände im Jugendamt Hamburg-Mitte informiert als bislang bekannt.
Dem NDR Fernsehen liegen mehrere massive Beschwerdebriefe von freien
Jugendhilfe-Trägern und Pflegeeltern vor, die an den damaligen Ersten
Bürgermeister Ole von Beust (CDU), den damaligen Justizsenator Till
Steffen (GAL) und den Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD)
gerichtet waren.
In zumindest einem Antwortschreiben werden die Missstände auch von
Seiten des Senats eingeräumt: Der Leiter des Amtes für Soziales und
Familie antwortete im Dezember 2006 im Auftrag von Beusts einer
Pflegefamilie, er habe "Schwachstellen im Planungs- und
Bewilligungsbereich von Hilfen zur Erziehung feststellen müssen, die
zu nicht zu akzeptierenden Ergebnissen geführt" hätten. Er kündigte
an, gemeinsam mit dem Jugendamt Hamburg-Mitte "diese Schwachstellen
weiter analysieren und Abhilfe schaffen" zu wollen. Die Pflegefamilie
hatte sich über Untätigkeit, Beleidigungen bis hin zu persönlichen
Angriffen beschwert. Ihr Schreiben gipfelte in dem Satz: "Die
Schwelle des Erträglichen ist lange erreicht!"
Die Senatskanzlei teilte dem NDR mit, sie prüfe den Vorgang
zurzeit. Ein Ergebnis liege bislang noch nicht vor.
Im NDR Fernsehen berichtet zudem Pflegefamilie B., dass seit der
Aufnahme eines damals sechs Monate alten Babys mit Behinderung im
Jahr 2001 das Jugendamt nur einmal einen Hausbesuch abgestattet habe.
In einem Schreiben der Anwälte des Jugendamtes heißt es, dass
Hausbesuche "wenn überhaupt für das Jugendamt nur mit unvertretbar
hoher und mehrmonatiger Vorbereitungszeit möglich" seien. Das
Bezirksamt Hamburg-Mitte wollte sich zu diesem Vorgang mit dem
Hinweis auf laufende Verfahren nicht äußern.
Der Landesverband für Kinder in Adoptiv- und Pflegefamilien in
Schleswig-Holstein bemängelt seit mehreren Jahren angebliche "massive
institutionelle Kindeswohlgefährdungen" durch die Mitarbeiter des
Jugendamtes Hamburg-Mitte sowie einen oftmals willkürlichen Umgang
mit Pflegeeltern. Der Verein, der auch Pflegefamilien in Hamburg
betreut, wirft der Behörde vor, dass Fallbeurteilungen vorgenommen
würden, ohne das Kind oder die Pflegeeltern überhaupt zu kennen.
Medizinische Diagnosen und Empfehlungen würden ignoriert. Beschwerden
seien ins Leere gelaufen. Seit dem Tod von Lara-Mia vor drei Jahren
seien immer häufiger Pflegeeltern auf den Verband zugekommen, die von
den Hamburger Behörden, insbesondere dem Jugendamt Hamburg-Mitte
schlecht behandelt würden, sagte die Vorsitzende des Verbandes,
Birgit Nabert.
Das Jugendamt Hamburg-Mitte steht derzeit wegen des Todes der
elfjährigen Chantal in der Kritik - das Mädchen, das in einer
Pflegefamilie aufwuchs, war am 16. Januar an einer
Methadon-Vergiftung gestorben.
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